Integration

„Diaspora Dialogtag“, ein neues Format der albanischen Diaspora in Deutschland

Anduena Stephan: "Unsere Diaspora braucht höheres Selbstverständnis und komplexfreies Engagement in konkreten Projekten. Nur ein gutes Beispiel hilft der Diaspora, sich auf die gleiche Ebene wie die der anderen Balkanländer zu stellen und sich nicht assimilieren zu lassen"

Frau Anduena Stephan ist Honorarkonsulin der Republik Albanien in NRW. Gleichzeitig ist Sie auch Präsidentin der Deutsch-Albanischer Integration Verein  «IDEAL». Ende November hat sie den ersten „Diaspora Dialogtag“ in Deutschland mitorganisiert. In diesem Zusammenhang, albinfo.ch hat mit Frau Stephan ein Interview geführt.

Albinfo.ch: Sehr geehrte Frau Stephan. Zuerst gratulieren wir Ihnen zum ersten Diaspora Dialogtag in Deutschland.

Anduena Stephan: Ich danke Ihnen auch für Ihre Glückwünsche, für die Zeit und Aufmerksamkeit, die sie diesem Event in Ihrem Onlineportal bzw. in Ihrer Zeitschrift widmen. Ich möchte betonen, dass dieser Event ein Produkt der ehrenamtlichen Arbeit einer Gruppe von Diaspora-Vertretern war, denen ich Ihre Glückwünsche gerne weiterleiten werde. Zu dieser Gruppe gehören unter anderem Frau Mimoza Kelmendi, Frau Silva Reka, Frau Elda Teqja, Frau Ketrina Ajazaj, Herr Alban Shehu, Herr Bekim Hoxha, Herr Sami Asllani, Herr Milazim Jusaj, Frau Mimoza Leka, Herr Musa Mullolli, Herr Avni Dervishi, Herr Besnik Rama, Herr Bashkim Meholli und viele andere Kollegen, die gemeinsam diesen Event erst möglich machten. “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile”, sagte einst Sokrates und diesem weisen Spruch braucht man nichts mehr hinzufügen.

Können sie uns sagen, warum sie Ihren Event als den ersten Dialogtag bezeichnen?

Weil es das erste Mal war, dass sich die in Deutschland lebende Diaspora zusammentat und diesen Tag mit vielen Kollegen aus einer Vielfallt von Lebensbereichen, Netzwerken und Vereinen organisierte. Die Teilnehmer kamen aus ganz Europa und sogar aus Kanada; zudem hatten wir Vertreter aus der höchsten kommunalen als auch Regierungsebene aus Nordrhein-Westfalen, aus Albanien und von der EU zu Gast. Darunter konnte die Diaspora zum ersten Mal einen sehr wichtigen Partner für alle Albaner gewonnen, den albanischen Präsidenten.

Warum die Aufzählung als ersten Tag?

Weil wir gerade erst den Grundstein für den Dialog gelegt haben, welcher durch die Teilnehmer weiter vertieft und konkretisiert werden soll, und nicht nur das. Es ist wünschenswert und nach diesem ersten Dialogtag sogar realisierbar, dass sich die sektor-bezogenen Foren, die sich bei diesem Event bildeten, weiter konsolidieren und deren Gruppenvertreter zu einem zweiten, dritten usw. Dialogtag einladen werden.

Was hat diesen Tag so besonders gemacht?

Die Rekordzahl an Teilnehmern aus ganz Deutschland, Europa, Übersee, Albanien und dem Kosovo. Mehr als 200 Teilnehmer starteten diesen Dialog. Zudem präsentierten sich zum ersten Mal drei Generationen gemeinsam an diesem Tag. Des Weiteren fand der Dialog nicht nur “unter uns” statt, sondern auch auf Augenhöhe mit deutschen Kollegen, also ohne typische Komplexe (wie: “uns mögen die nicht, da wir Albaner sind”), die unsere Diaspora bisher belastet haben. Zuletzt der Wille nach mehr gemeinsamem Dialog und nach einem abgestimmten Aktionsplan mit den Ländern, in denen wir Leben und unseren Heimatsländern, in neuen Formaten und Modellen, projektbezogen, für die Albaner, ehrenamtlich und mit einem direkten Nutzen für die Bürger vor Ort.

Der Dialogtag hatte auch ein besonderes Format mit fünf unterschiedlichen Plattformen, auf denen die Teilnehmer in Dialog treten konnten. Was war das Ziel dieses Formats?

Ja dies stimmt. Der Dialogtag hatte fünf Plattformen, die ich gerne kurz beschreiben möchte. Zuerst das ‘klassisches Tagungsformat’, also das Podium, welches ich die Ehre hatte, zu moderieren, über die Vorstellungen internationaler Aktoren, mit denen die Diaspora in Dialog treten muss und ohne die unsere Arbeit nicht zielgerichtet wäre. Diese waren: Das Ministerium für Diaspora aus dem Kosovo, vertreten durch Herrn Finanzminister Arjan Daci, sowie ministeriale Direktoren, das Ministerium für Auslandsalbaner, vertreten durch den Botschafter Albaniens in Deutschland, seine Exzellenz Artur Kuko und die Beraterin des Minister für Auslandsalbaner Majko, Frau Esmeralda Hasani, vertreten durch die Frau Staatssekretärin für Integration Frau Serap Güler im NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, der Dachverband der Albanischen Kommunen, vertreten durch die Geschäftsführerin Frau Adelina Farrici, sowie die Partnerinstitutionen, die deutsche ZIM, Internationales Zentrum der Integration, vertreten durch Frau Nora Seddig, die Industrie und Handelskammer Tirana, vertreten durch die Generalsekretärin Frau Albana Laknori, sowie die Gesellschaft für Städtepartnerschaft der Stadt Köln vertreten durch ihren Präsidenten Herrn Ulrich Linnenberg.

Zweitens, eine Dialogplattform zwischen Vereinen und Einzelteilnehmern: also das zweite Podium, in dem die Diasporavereine und deren erfolgreiche Vertreter die Möglichkeit hatten, ihre Erfahrungen und Zukunftsprojekte darzustellen. Dieses Podium wurde von meiner Kollegin Mimoza Kelmendi sehr professionell moderiert.

Drittens, die Plattform ‘Mensch zu Mensch’: Also der direkte Dialog zwischen den Teilnehmern, Vereinen und Institutionen, in einer lockeren Atmosphäre während der Mittagspause, den Tagungspausen sowie während des Empfanges vor dem Abendkonzert.

Viertens, die Plattform der sektor-bezogenen runden Tische, die durch die Teilnehmer selbst moderiert wurde. Diese Plattform legte den Grundstein zu den künftigen Foren in den folgenden Bereichen: Bildung, Kultur und Kunst, Gesundheitswesen und dazu gehörende Dienstleistungen, Klein-und Mittelstand bzw. das Handwerk, Studentennetzwerke, sowie das EU-Netzwerk der Diaspora, in dem die in Deutschland lebende Diaspora aktiv mitwirkt und schließlich der Bereich der politischen Mitwirkung und vertieften Integration der hiesigen Albaner.

Fünftens, die Dialogplattform mit dem Präsidentenamt, also mit einer Institution, die ich als das große gemeinsame Haus des nationalen Dialogs aller Albaner bezeichnen würde.

Der literarische und musikalische Dialog der Diasporavertreter rundeten diesen Tag ab. Glückwunsch hier an Frau Kelmendi zu ihrem Dialog mit den Teilnehmern über ihr Buch “Kadare Anders” und auch Glückwünsche an Vlashent Sata und seine Band zu seinem Konzert “MONDLicht”.

Was sind die Botschaften des ersten Dialogtages?

“Der, der die Welt ändern möchte, muss erst einmal sich selbst ändern”, sagte Aristoteles. Der starke Wunsch um die Entwicklung der Diaspora und deren aktives Engagement wurde deutlich, zuerst hier in Deutschland und danach auch in den Heimatsländern. Der Weg ist sehr lang; aber wichtig ist es, dass dieser Tag allen Teilnehmern die Chance bot, die Entscheidungsträger direkt kennen zu lernen, um diese Entwicklung zu konkretisieren und an andere weiter zu kommunizieren.

Was sind die nächsten Schritte?

Wir möchten zusammen mit dem Organisationsteam, den Vertretern der runden Tische, sowie mit allen Teilnehmern, die den Dialog fortsetzen möchten, im Frühjahr in Albanien und im Kosovo die Themen und die Ideen, die hier angesprochen wurden, in konkrete Projekte umwandeln.

Hatten Sie Hindernisse?

In den sozialen Medien gab es sogar Veröffentlichungen zur “Sabotage” des Dialogtages. Es ist normal, dass es unterschiedliche Meinungen und Formate gibt. In Deutschland leben mehr als 500.000 Albaner. Weder übernehmen wir es alle zu vertreten, noch kann ein Individuum oder ein einziger Verein alleine gehen oder den Anspruch erheben, alle Albaner in Deutschland zu vertreten. Unsere Diaspora braucht höheres Selbstverständnis und komplexfreies Engagement in konkreten Projekten. Nur ein gutes Beispiel hilft der Diaspora, sich auf die gleiche Ebene wie die der anderen Balkanländer zu stellen und sich nicht assimilieren zu lassen. Pseudopatriotismus, anonyme Briefe, fake news in verantwortungslosen und nicht professionellen Medien, oder Sabotageaufrufe, stellen nur das Emanzipierungsniveau gewisser Schichten der Diaspora dar, die glücklicherweise nicht einmal 1% vertreten. Aber wie gesagt, Diversität und konstruktive Debatte sind gut für die Diaspora. Denn wie unser Sprichwort besagt: “Die Arbeit und nicht die Worte machen den Unterschied.”

Etwas über unser Portal?

Sie sind einer der wichtigsten Partner der Diaspora. Ich erinnere mich an das Westbalkanforum 2014 in Berlin, als ich zum ersten Mal zusammen mit Herrn Engjell Begalla vom albanischen Außenministerium eine Entwicklungs- road map der albanischen Diaspora präsentierte. Dort hat auch unsere Kooperation angefangen. Sie haben uns immer unterstützt und haben all unseren Initiativen und Aktivitäten eine mediale Stimme verliehen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und ich bin mir sicher, dass sie immer ein verantwortungsvolles Medium bleiben werden. Wir sind glücklich, sie als unseren Partner gewonnen zu haben. Denn gemeinsam erreichen wir mehr, und dies ist ein Fakt.