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Granit Xhaka: Zuhause bin ich sowohl in der Schweiz wie in Kosova

Im Gespräch mit albinfo.ch spricht der Fussballstar Granit Xhaka über seine Beziehung zu Kosovo, seinen Dank an die Schweiz, und viele anderen Themen

Wir trafen Granit in dem  St. Galler Hotel, wo sich die Schweizer Nationalmannschaft am Abend vor dem Testspiel gegen Kroatien versammelte. Albinfo.ch konnte bei dieser Gelegenheit ein Exklusivinterview mit Granit Xhaka machen, der zum engen Kreis der besten unter den allgemein guten albanischen Fussballerspielern gehört.

Doch Granit zeichnen nicht nur meisterliches Spiel und Technik im Fussball aus. Er blieb trotz aller Berühmtheit, die er erlangte, mit beiden Füssen am Boden. Dies zeigte sich im Gespräch mit ihm, aber auch in der Spontaneität, mit welcher er seinen Fans begegnet. Eine Gruppe von fünf bis sechs Teenagern, hauptsächlich Albaner, wichen ihm nicht von der Seite, sprachen mit ihm, liessen sich Autogramme geben und mit ihrem Idol fotografieren. Sie waren gleichfalls Fussballspieler, die für die U-15 St. Gallen spielten, und in Xhaka sahen sie die Verkörperung dessen, was sie später werden wollten.

Im seinem Interview für albinfo.ch sprach der hervorragende Fussballstar Granit Xhaka über sein Verhältnis zu Kosova, über den Dank, den er und die andern albanischsprachigen Fussballer für die Schweiz empfinden, über seine aktuelle Form, über die kosovarische Nationalmannschaft, etc.

albinfo.ch: Sie haben sich bei mehreren Gelegenheiten vehement zu der von verschiedenen Kreisen in Kosovo und Albanien laut gewordenen Kritik über Ihren Entscheid, für die Schweiz und nicht für Albanien zu spielen, geäussert. Wie fühlt sich ein Junger wie Sie in diesem Spannungsfeld, zwischen zwei Feuern?

Granit Xhaka: Ich muss sagen, dass es vor allem während der Zeit, als wir gegen Albanien spielten, überhaupt nicht leicht war, nicht nur für uns nicht, die albanischsprachigen Fussballer der Schweiz, sondern auch für unsere Familien nicht. In der Schweiz zu spielen und dann zu hören, wie du von 13’000 Albanern ausgepfiffen wirst, ist alles andere als ein gutes Gefühl. Doch jetzt, nachdem es Kosova erlaubt ist, im Rahmen der Fifa Freundschaftsspiele zu spielen, fiel dieser Druck beträchtlich, die Situation hat sich etwas beruhigt.

albinfo.ch: Doch wird jetzt nicht die Forderung laut, ihr solltet für Kosovo spielen?

G. Xhaka: Möglich, doch für uns ist dies zur Zeit kein Thema, da Kosova jetzt wie gesagt nur Freundschaftsspiele spielen kann, und wir können für Freundschaftsspiele nicht die Mannschaft wechseln, beziehungsweise wird uns das nicht erlaubt.
Somit ist es noch früh, von Kosova zu sprechen. Ehrlich gesagt, niemand aus dem dortigen Verband kontaktierte uns, dies bestimmt auch, weil sie uns keine Schwierigkeiten bereiten wollten.

Wenn Kosovo in die Fifa aufgenommen wird, können wir uns den Entscheid neu überlegen

Ich bin der Schweiz dankbar für alles. Ich kam in diesem Land auf die Welt, ich ging hier zur Schule, lernte Fussball spielen und wurde zu demjenigen, der ich bin. Doch Kosova, mein Land, vergesse ich nie und ich bin ihm eng verbunden. Doch, wie ich schon sagte, ein Engagement für Kosova in dieser Phase ist kein Thema. Wenn Kosova als vollberechtigtes Mitglied in die Fifa aufgenommen wird, dann kann ich meine Position neu beurteilen.

albinfo.ch: Bleiben wir beim Thema Nationalmannschaften. In der albanischsprachigen Öffentlichkeit ist weiterhin die Diskussion über die Frage aktuell, ob die Albaner eine Nationalmannschaft haben sollen oder aber zwei, wie es heute der Fall ist: eine Albanien und eine Kosovo?

G. Xhaka:Es stimmt, dass wir eine Nation sind, aber wir haben zwei Staaten. Das ist die Realität. Da wir nun den Staat haben, Kosova, müssen wir auch eine kosovarische Fussballnationalmannschaft stellen. Wir albanischsprachigen Spieler in der Schweizer Nationalmannschaft haben miteinander gesprochen und wir begrüssten den Entscheid, der kosovarischen Nationalmannschaft Freundschaftsspiele zu erlauben. So wird den Spielern aus Kosova eine Chance gegeben, die Isolation zu durchbrechen, mit ausländischen Mannschaften zu spielen. Letztlich glaube ich, dass Kosova eine sehr gute Mannschaft haben wird.

albinfo.ch: Sie spielen bei Borussia Mönchen-Gladbach. Zu Beginn hatten Sie rund ein Jahr lang ernsthafte Probleme. Inzwischen haben Sie sich stabilisiert, fanden Ihren Platz dort. Wie würden Sie diese Krise und den Weg aus ihr hinaus beschreiben?

G. Xhaka: Das stimmt. Das erste Jahr in Gladbach war für mich nicht einfach. Die Erwartungen an mich waren sehr hoch, vor allem, weil mein Transfer 10 Millionen gekostet hatte. Das Publikum erwartete zuviel und ich befand mich unter Druck. Doch mit der Zeit konnte ich mich festigen; dafür muss ich auch meinem Trainer danken, der mir die Chance dazu gab. Jetzt bin ich sehr glücklich mit meiner Stellung innerhalb der Mannschaft.

albinfo.ch: Das bedeutet, dass Sie dort jetzt einen festen Platz gefunden haben?

G. Xhaka: Na ja, unser Trainer (der Schweizer Lucien Favre) sagt immer, es gebe für niemanden einen stabilen Platz, sondern du müssest immer Einsatz und Willen zeigen, um deinen Platz zu verdienen und ihn zu halten.

Unsere Mannschaft ist momentan auf Platz sieben. Wir begannen die Frühlingssaison nicht sehr gut, wir haben drei Niederlagen und drei Unentschieden. Doch wir sind trotzdem in der oberen Hälfte der Tabelle, und es trennt uns nur ein Punkt davon, an der Europaliga teilzunehmen.

–       In Deutschland: eine Woche bei Papa, eine Woche bei Mami

albinfo.ch: Gibt es Albaner in eurer Mannschaft, in anderen, jüngeren Kategorien? Wie steht es allgemein mit albanischen Fussballspielern in Deutschland?

G. Xhaka: Es gibt hier einen sehr talentierten, 13-14-jährigen Albaner, der erfolgreich in der entsprechenden Kategorie spielt. Doch fällt auf, dass sich in den verschiedenen Kategorien der deutschen Klubs insgesamt nicht so viele Albaner finden lassen wie in der Schweiz.

albinfo.ch: Liegt dies daran, dass dort auch die Konkurrenz stärker ist, in der Bundesliga, nicht wahr?

G. Xhaka: Das ist mit ein Grund, aber nicht der einzige. Es ist auch in der Schweiz nicht leicht, voranzukommen, doch es gibt auch mehr Unterstützung, und wir Albaner in der Schweiz sind am zahlreichsten als Ausländer.

albinfo.ch: Wo fühlen Sie sich mehr zuhause: in der Schweiz oder in Deutschland, wo Sie seit zwei Jahren leben?

G. Xhaka: Natürlich fühle ich mich zuhause am wohlsten, und das ist in der Schweiz, da ich da geboren und aufgewachsen bin, da habe ich meine Familie. Doch in Mönchen-Gladbach, wo ich jetzt lebe, bin ich immer mit Mami oder Papa zusammen. Eine Woche lang bleibt mein Vater bei mir, und die nächste Woche löst ihn meine Mutter ab. Sie müssen abwechseln, denn hier in Basel lebt auch mein Bruder, Taulant, der für den FC Basel spielt, und sie wollen auch mit ihm zusammensein. Und sobald ich zwei drei freie Tage habe, komme ich in die Schweiz, die Familie und die Freunde besuchen.

albinfo.ch: Wie ist Ihr Privatleben, Granit?

G. Xhaka: Natürlich habe auch ich ein Privatleben, aber ich übertreibe es nicht. Sehr selten nur gehe ich in eine Diskothek, an eine Party oder so. Nur wenn ich etwa ein freies Wochenende habe, kommt es vor, dass ich an eine Party gehe.

– Untereinander sprechen wir albanisch

albinfo.ch: Ihr seid gewöhnlich fünf bis sechs albanischsprachige Spieler, wenn sich die Schweizer Nationalmannschaft versammelt. Wie spricht ihr untereinander, wenn ihr zusammen seid?

G. Xhaka: Wir sprechen auf jeden Fall albanisch …

albinfo.ch: … wegen Behrami, weil er nicht Deutsch kann?

G. Xhaka: Nein, Behrami spricht viele Sprachen, ausser albanisch spricht er auch englisch, französisch und ein wenig Deutsch. Das heisst, wir sprechen nicht nur wegen ihm albanisch, sondern weil wir uns so wohler fühlen. Wir sitzen viel am gleichen Tisch zusammen.

albinfo.ch: Nehmen euch die andern das manchmal übel?

G. Xhaka: Sie können es uns nicht übelnehmen, da alle wissen, dass von uns sechs Albanern fünf ständig standardmässig spielen (lacht).

albinfo.ch: Wer von euch ist der Lustigste?

G. Xhaka:  Shaqiri, er ist derjenige von uns, der immer am meisten zu Spässen aufgelegt ist. Aber auch wir andern stehen da nicht zurück.

albinfo.ch: Wer steht Ihnen von den albanischen Fussballerspielern am nächsten?
G. Xhaka: Ich bin viel mit Xherdan zusammen. Letzte Woche war ich sogar bei ihm auf Besuch. Valon Behrami jedoch ist für uns alle ein Vorbild, weil er der Älteste ist, am meisten Erfahrung hat und für uns wie ein grosser Bruder ist.

albinfo.ch: Worin besteht der Unterschied zwischen der ersten deutschen Bundesliga und der Superliga der Schweiz? Welches sind Ihre Erfahrungen?

–  Es ist nicht von Bedeutung, wenn du fällst, wichtig ist, dass du wieder aufstehst

G. Xhaka: Der Unterschied ist sehr gross. Vor allem in der körperlichen Form und der Stärke. Auch die Disziplin in Deutschland ist härter. In der Schweiz, als Beispiel, verzeihen sie dir, wenn du mal einen Fehler machst, auch den zweiten, und manchmal auch den dritten. In Deutschland jedoch nicht! Diese Strenge fällt allen auf, die aus anderen Ligen nach Deutschland kommen. Deshalb bin ich überzeugt, dass die Bundesliga die stärkste Fussballliga der Welt ist.

albinfo.ch: Vielleicht hatten Sie auch aus diesem Grund anfänglich Schwierigkeiten, nachdem Sie zum Spielen dorthin gewechselt hatten?

G. Xhaka: Möglicherweise war es auch deswegen. Obwohl ich ungefähr wusste, was für ein Unterschied bestand. Aber ich sage, du kannst hinfallen, wichtig aber ist, dass du wieder vom Boden aufstehst und weiter vorankommst. So machte ich es. Auch die Familie, die ich immer bei mir hatte, half mir darin, und vor allem mein Bruder, der auch ein bekannter Fussballer ist, Taulant.

Taulant ist der bessere Fussballspieler als ich!

albinfo.ch: Wie ist die Beziehung zu Ihrem Bruder? Ihr spieltet zusammen, dann wechselten Sie nach Deutschland und er blieb in der Schweiz. (Wir fragen Sie nicht, wer von euch der bessere ist!)

G. Xhaka: Taulant ist der bessere Spieler als ich. Doch ich hatte mehr Glück. Zum Beispiel der damalige Trainer des FC Basel, Thorsten Fink,  der hatte mich sehr gerne und gab mir mehr Chancen, und meinem Bruder weniger. Und dann schickten sie Taulant leihweise zu den Grasshoppers und jetzt kehrte er zurück in den FC Basel, wo er Standard spielt. Das letzte Jahr bei den Grasshoppers tat ihm mental sehr gut. Der Unterschied zwischen mir und Taulant: Er ist im Spiel etwas angriffiger, während ich als eleganter auf dem Rasen gelte, als technisch besser. Im Alltag unterscheiden wir uns durch verschiedene Charaktere: Er ist ruhiger und verschlossener, ich hingegen bin fröhlicher.

albinfo.ch: Ihr kommt ursprünglich aus Kosovo, doch von welchem Ort ?

G. Xhaka: Unsere Verwandschaft lebt in Prishtina. Mein Vater kam aus Llap und meine Mutter aus Prishtina. Im Internet in der Wikipedia steht, dass ich in Gjilan geboren sei, doch das ist ein Fehler, von dem ich nicht weiss, wie er entstand.

Seit acht Jahren mache ich meine Ferien immer in Kosovo

albinfo.ch: Geht ihr oft nach Kosova?

G. Xhaka: Nach Kosovo gehe ich jeden Winter und jeden Sommer. Tatsächlich mache ich seit acht Jahren nirgend anders als in Kosovo Ferien. Ich wünsche nirgend anderswohin zu gehen. Kosovo genügt mir, dort sind meine Verwandten, die Grosseltern und die andern, deshalb verbringe  ich die Zeit dort am Besten.

Doch ich glaube, auch die Hilfe, die mein Bruder und ich gemeinsam schon mehrmals nach Kosova schickten, zeigt meine Bindung zu Kosova. Wir sandten verschiedene Fussballrequisiten von Nike. Wir halfen den Clubs Prishtina, Trepça etc. Kommenden Sommer haben Taulant und ich ein Projekt, um jenen Kindern zu helfen, die ihre Eltern im Krieg verloren.

Ich kann sagen, dass es auch unser Vater war, der diese Liebe zu Kosova in uns nährte. Er war in Kosova politisch Verurteilter, was auch der Grund war, weshalb er in die Schweiz kam. Hier kamen dann Taulant und ein Jahr später ich zur Welt.

albinfo.ch: Sie scheinen Kosovo sehr verbunden zu sein. Denken Sie, dass Sie eine kosovarische Frau heiraten werden?

G. Xhaka: Ja. Ich möchte mich gerne mit einer Kosovarin verheiraten. So hoffe ich, schauen wir, das hat Zeit.

albinfo.ch: Wer ist Ihr Fussballidol?

“Mein Idol ist Zidane

G. Xhaka: Als Spieler war immer Zidane mein Idol gewesen, und er ist es auch heute noch. Unter anderem deshalb, weil er auf dem Rasen in der gleichen Position wie ich spielte.

albinfo.ch: Und von Messi und Ronaldo, welchen haben Sie lieber?

G. Xhaka: Ronaldo. Er gefällt mir besser als Typ, doch ich denke, er ist auch der bessere Spieler.

albinfo.ch: Auch weil Sie ihm gleichen, nicht?

G. Xhaka: Auch deshalb (lacht).

albinfo.ch: Was würden Sie den Jungen in der Schweiz raten, was müssen diese tun, um erfolgreich zu sein?

G. Xhaka: In erster Linie braucht es Glück und Gesundheit. Und dann musst du zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Fussballer werden ist nicht leicht, du brauchst auch viel Disziplin. Du musst aufpassen, mit wem du gehst, mit wem du die Zeit verbringst, und es braucht auch viel Training. Wir Ausländer brauchen immer mehr Training als die andern.

Die meisten Jugendlichen heute machen eher weniger Sport. Ich habe den Eindruck, dass jene Zeit mit den leidenschaftlichen Fussballtalenten vorbei ist. Als Kind und Jugendlicher nahm ich den Fussball ernster. Niemand konnte mich vom Ball trennen, ich konnte nicht genug haben davon. Wir spielten viel Fussball auf der Strasse. Doch heute sehe ich sehr wenig Jugendiche, die auf der Strasse Fussball spielen. Sie haben es leichter, denn sie können uns als Vorbild für erfolgreiche Fussballspieler nehmen. Doch scheint es nicht, dass dem so wäre.

albino.ch: Wo sind Sie, Granit, heute in der Schweizer Nationalmannschaft?

G. Xhaka: Trainer Hitzfeld brachte Veränderung in die Mannschaft, er schuf eine Verbindung zwischen den jungen und den alten Fussballspielern. Wir als Junge zeigten Mut und stellten eine gute Kombination mit den erfahrenen Spielern her, aber auch mit der ganzen Mannschaft. Ich denke, jetzt herrscht eine bessere Atmosphäre als damals, als die Spieler der älteren Generation da waren.

In der Schweizer Nationalmannschaft habe ich eine andere Rolle als in Mönchen-Gladbach. Hier bin ich Stürmer.

albinfo.ch: Für welchen grossen Klub würden Sie gerne spielen?

G. Xhaka: Ich liebe Bayern, aus vielen Gründen. Jetzt auch weil Xherdan dort ist und er mein Freund ist und wir gut miteinander auskommen. Von den andern Ligen gefällt mir die englische.

albinfo.ch: Was für eine Botschaft haben Sie für die Leserinnen und Leser von albinfo.ch ?

G. Xhaka: Sich in der Schweiz zu integrieren ist heutzutage nicht schwierig. Es braucht gegenseitige Achtung im und für das Land, in das wir auswanderten. Wir müssen uns unbedingt dem Land anpassen, wo wir leben, doch natürlich dabei unsere Herkunftsidentität behalten. Immer wenn ich gefragt werde, sage ich, dass ich Albaner bin. Ich bin in der Schweiz auf die Welt gekommen, aber ethnisch bin ich Albaner. Wenn ich nach Kosovo gehe, respektiere ich ebenfalls die dortigen Gesetze, deshalb müssen wir uns auch hier der Ordnung, in der wir leben, anpassen.