CH-Balkan

8 Tage Albanien – Schweizer entdecken das Land der Adler

Im vergangenen Oktober machte sich eine 17-Köpfige Reisegruppe aus den unterschiedlichsten Regionen der Schweiz auf, das ihnen unbekannte Land der Adler zu entdecken.

Die Studienreise wurde durch Nexhat Maloku, Albanischlehrer und Präsident der LAPSH, organisiert und durchgeführt. Das Ziel war, den hauptsächlich im Bildungsbereich tätigen Teilnehmenden einen Einblick in die Kultur und Herkunft ihrer albanischstämmigen Schülerinnen und Schüler zu gewähren.

Zürich – Prishtina – Shkodra

Die Reise führte jedoch zuerst ins Nachbarland Kosovo, da die Flugverbindungen von Zürich nach Prishtina wesentlich besser sind, als von Zürich nach Tirana. Verwunderlich ist diese Tatsache nicht, wenn man bedenkt, dass in der Schweiz rund 200’000 Kosovaren und nur ca. 1200 Albaner aus Albanien leben. In Prishtina wartete ein Chauffeur aus Tirana namens Wilson mit seinem sehr modernen Mercedes-Minibus auf uns. Von dort aus ging es dann über Gjakova nach Albanien bis zum Ufer des von hohen Felswänden umgebenen Koman-Stausees, den wir mit einer Autofähre überquerten.

Um uns die traditionelle Architektur und den Stil Albanies näher zu bringen, hatte Nexhat Maloku eine Reihe von Hotels ausgesucht, die diesem Kriterium vollends entsprechen, so wie das Hotel Tradita in Shkodra. Doch nicht nur die Räumlichkeiten mit ihren von Hand gewebten Teppichen an den Wänden und mit Holzstuckaturen verzierten Decken, sondern auch das traditionelle Essen begleitet durch Livemusik, vermittelten uns, dass wir in Albanien angekommen sind.

Bildung auf Albanisch

In Tirana stand nebst dem Besuch einer Quartierschule ein Treffen mit Verantwortlichen des Bildungsministeriums auf dem Programm. Im kürzlich erbauten Hauptgebäude des Ministeriums erwarteten drei Vertreter uns in einem Saal, der einem Vorlesungsraum glich. Umringt von vier Kamerateams der regionalen Medien erklärten sie das Bildungswesen Albaniens, erzählten von den vielen Reformen, die seit der Zeit des Kommunismus durchgeführt wurden und wie versucht wird, ethnische Minderheiten und geistig sowie körperlich benachteiligte Kinder bestmöglich in den Bildungsprozess zu integrieren.

Auf die Frage, ob der Staat für die Albanerinnen und Albanern, die im Ausland studieren und dort bleiben, nicht Voraussetzungen schaffen müsse, damit diese mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten in ihr Heimatland zurück kehren, antwortete einer der Vertreter mit: „Wo jemand leben und arbeiten möchte, ist eine individuelle Entscheidung. Ausserdem spielt hierbei der Egoismus der einzelnen Personen eine Rolle.“ Es gäbe jedoch einige erfolgreiche Albanerinnen und Albaner, die im Ausland studiert haben und zurückgekehrt sind.

In der nahegelegenen Primarschule konnten wir uns ein Bild von dem zuvor Gehörten machen. Zu Beginn zeigte uns die sympathische Schulleiterin mit einem Hauch Stolz in der Stimme die Projektarbeiten der Schülerinnen und Schüler und beantwortete die neugierigen Fragen ihrer Besucherinnen und Besucher.

Daraufhin durften wir in Kleingruppen in die Schulzimmer. Zu sehen bekamen wir energiegeladenen Unterricht seitens der Lehrpersonen sowie der Kinder, die mit wenig finanziellen Mitteln, das Maximum rauszuholen schienen. Für ihren Einsatz wurden die Kinder dafür mit echter Schweizer Schokolade, Caran D’Ache Farbstiften, Schulheften und schön buntem Bastelpapier belohnt.

Die Arbeit der Schweizer Botschaft

An der Ibrahim-Rugova-Strasse in Tirana befindet sich ein kleines, zweistöckiges Gebäude. Umgeben von wuchtigen Bauten, ist es leicht zu übersehen. Ganz im Gegensatz zu den Riesenanlagen Russlands, der USA und sogar Italiens ist die Schweizer Botschaft in dezentem, modernen Stil gehalten.

Christoph Graf, der Schweizer Botschafter in Tirana, informierte uns über die Schweizerische Zusammenarbeit mit Albanien. Die Hauptziele sind die Stärkung der Stabilität und Demokratie, die wirtschaftliche Entwicklung und die Unterstützung der Regierung bei Reformvorhaben. „Die Schweiz ist seit 1992 in Albanien aktiv“,  erzählte er „und ist der zweitgrösste bilaterale Geber mit bisher 260 Millionen CHF.“

Für den Zeitraum 2014-2017 konzentriert sich die Arbeit der Schweizerbotschaft unter anderem auf die Unterstützung der Gemeinden beim Aufbau und Modernisierung der Verwaltungen, die Demokratisierung der Bürger, die Rehabilitierung der Wasserkraftwerke sowie die Förderung der Berufsbildung.

Somit dient die Botschaft nicht nur politischen und diplomatischen Zwecken, sondern leistet darüber hinaus Entwicklungsarbeit in einem der ärmsten Länder Europas. „Albanien ist ein Staat im Aufbau“, sagte Graf. Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch Albaniens 1997 hätten die Albaner nicht nur bei Null sondern bei Minus Null anfangen müssen. In der Zwischenzeit hätte sich viel getan, doch es bleibe auch noch einiges zu tun.

Der schöne Süden

Albanien ist ein Land der Gegensätze. Auf der Suche nach den geheimen Schmuckstücken des Landes, begegnet man Armut, die sich unter anderem in den heruntergekommenen Wohnblöcken und einfach gebauten Einfamilienhäusern mit schlichten Wassertanks auf den Dächern zeigt. Während man über gefährliche Bergstrassen fährt, umgeben von wuchtigen Steinmassiven, lässt sich das Meer in seinem facettenreichen Blau immer wieder erblicken. Gelegentlich wird man von der Schönheit der Landschaft eingenommen, die jedoch von dem vielen Abfall getrübt wird, der sogar entlang der abgelegensten Strassen und Flüssen herumliegt.

Die Entdeckung des Südens begann für uns mit einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Albaniens. Die Stadt Berat, auch Stadt der 1000 Fenster genannt, gehört seit 2008 zum Unesco-Weltkulturerbe. Das Stadtbild ist geprägt von historischen weissen Häusern,  vielen Moscheen und Kirchen und einer überaus grossen Burg auf dem Hausberg, die heute noch von den ältesten Familien der Stadt bewohnt wird.

Weiter führte die Reiseroute nach Gjirokastra, in die Geburtsstadt Enver Hoxhas und Ismail Kadares. Dort besuchten wir das Geburtshaus des ehemaligen kommunistischen Diktators Hoxha, sowie dasjenige des berühmtesten Schriftstellers Albaniens.

In dieser Stadt, die aussieht, als wäre sie vollends aus Stein gemeisselt, sagte eine der Reisenden bereits: „ Also dieser Süden, der gefällt mir ziemlich gut.“

Ein weiteres Schmuckstück des Südens ist das sogenannte Blaue Auge. Der kristallklare Bergsee verbirgt eine Wasserquelle, die in den verschiedensten Blautönen, von Türkis bis Königsblau leuchtet. Dieses Naturphänomen liegt in der Nähe der Hafenstadt Saranda und ist eine weitere sehr beliebte Sehenswürdigkeit im Süden des Landes.

Von Saranda aus, ist auch die Ruinenstadt Butrint, die ebenfalls zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, in einigen Minuten erreichbar. Werner Kallenberger, ehemaliger Rechtsprofessor aus Zürich, erzählte nach der Führung durch die Ausgrabungsstätte, welche riesigen Fortschritte Albanien seit seinem letzten Besuch vor 25 Jahren, betreffend der archäologischen, musealen und touristischen Entwicklung gemacht hat.

In Vlora endete die Albanientour mit einer Übernachtung in einem Hotel, das in einer Felsenbucht steht. Bei strahlendem Vollmond genehmigten sich einige der Teilnehmenden ein Bad im angenehm warmen Meer, bevor es am nächsten Tag über Kruja nach Prizren ging. Denn von dort aus ist der Flughafen in Prishtina schneller erreichbar.

Geschichte, Genuss und Gastfreundlichkeit

„Es hat mir so Vieles gefallen, dass ich alle meine Vorurteile über Bord geworfen habe“, äusserte die Deutschlehrerin Rosmarie Tobler am Ende der 8-Tägigen Albanienreise. Aussagen wie „ich war sehr überrascht“ und „hätte ich nicht gedacht“ fielen oft. Vor allem das gute Essen würdigten die Schweizerinnen und Schweizer sehr. Die kulinarische Vielfalt, die Albanien zu bieten hat, war ihnen überhaupt nicht bekannt gewesen.

Vielfältig sei das Land auch in kultureller Hinsicht, was genau so wie die Geschichte des erst 104-jährigen Staates als sehr spannend empfunden wurde. Ebenfalls schätzten sie die Gastfreundlichkeit der Albanerinnen und Albaner, denn  „man wird einfach so zu einem Raki eingeladen, obwohl man einander gar nicht kennt.“

Davon, dass die Albaner nebst dem Raki auch eine Schwäche für eine ganz besondere Automarke haben, konnten sich die Schweizerinnen und Schweizer ebenso mit eigenen Augen überzeugen. Schliesslich ist es das Land mit der höchsten Mercedes- Dichte der Welt! Nur die Adler, die liessen sich leider nirgends blicken.