Die Diaspora und die Unabhängigkeit: zwischen Hoffnungen und Illusionen

Die Diaspora und die Unabhängigkeit: zwischen Hoffnungen und Illusionen

Am Tag der Unabhängigkeitserklärung von Kosova am 17. Februar 2008 war ich zu Gast bei einem spanischen Freund. Ich konnte es kaum erwarten, zu Mittag fertig zu essen und mich den Landsleuten anzuschliessen, die sich im Zentrum von Lausanne am Place de la Riponne versammelt hatten, um die Erklärung der Unabhängigkeit zu feiern. Es war ein besonderer Tag. Ein Tag, an dem in unseren Köpfen das Kapitel des Schmerzes und des Leidens, das wir für Kosova spürten, endlich ein positives Ende nehmen würden. Eine echte Perspektive für eine positive Veränderung für das Land und für das Volk sollte sich öffnen. Auf dem Weg zum Place de la Riponne waren überall Feiernde auf den Strassen, Autohupen wollten nicht stoppen. Schweizer und ausländische Passanten applaudierten und beglückwünschten die Albaner für dieses besondere Ereignis.

Allerdings waren die Erwartungen der Diaspora an Kosova vielleicht viel zu emotional und im schiefem Verhältnis zur Realität, die im Land geherrscht hat, und zum sehr anstrengenden Weg, den Kosova mit dem Prozess den Unabhängigkeit gehen sollte – besonders bezüglich der Kapazitäten an Personal, das die Prozesse vorantreiben sollte. Doch keiner hat es erwartet, dass sich das Land knapp am Rande des Scheiterns zurückentwickeln würde, was die Gegner der Unabhängigkeit bestätigen würde, dass die Kosovaren nicht in der Lage seien, einen Staat zu gründen und aufzubauen. Die Diaspora hat diese Entwicklung mit grosser Enttäuschung erlebt; Resignation und Wut machen sich breit.

Es ist höchste Zeit, dass die politischen Entscheidungsträger, die Opposition und die gesamte Bevölkerung alle verfügbaren Ressourcen mobilisieren, um den Prozess des Staatsaufbaus zu beschleunigen und die internationale Subjektivität von Kosova sicherzustellen. Die Diaspora hat diesbezüglich eine grosse Rolle gespielt. Und dies muss die Diaspora wieder tun. Denn letzten Endes ist Kosova kein Eigentum der Entscheidungsträger, sondern gehört dem Volk, am dem die Diaspora Rechte und Pflichten hat. Anstatt zu kapitulieren und Kosova den Rücken zu kehren, sollte die Diaspora sich in die politischen Prozess im Land einmischen und einbringen. Im Namen der jahrzehntelang aufgebrachten Energie und des kontinuierlichen materiellen Einsatzes für Kosova hat die Diaspora das Recht, Verantwortung zu verlangen.

Doch die kosovarische Führung streut sich gegen den politischen Einfluss der grossen und starken Diaspora. Darum muss die Diaspora in den Ländern, in der sie lebt und die auch als Geber fungieren, Lobby-Arbeit leisten, damit die Diaspora endlich am politischen Leben in Kosova institutionell teilnehmen kann. Anders gesagt, die Diaspora muss eine würdige Vertretung im kosovarischen Parlament und in der Regierung haben, um den Prozess der politischen Veränderungen im Land voranzutreiben. Die neue Generation in der Diaspora verfügt über die nötigen Kapazitäten und Erfahrungen, um den Prozess der politischen und sozioökonomischen Erneuerung zu unterstützen.

Im Namen der Redaktion beglückwünschen wir alle zum Tag der Unabhängigkeit von Kosova.


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