Integration

Albaner mit einer Behinderung sind in der Schweiz mehrfach diskriminiert

Am vergangengen Samstag fand in Zürich zum ersten Mal ein Treffen von Albanern mit einer Behinderung statt. Gemeinsam mit Gästen aus dem Kosovo sprachen sie über ihre Schwierigkeiten im Alltag

Eine Aktivistin und ein Politiker – beide mit einer Behinderung. Valdete Hoti und Islam Alijaj brachten am vergangenen Samstag in Zürich zum ersten Mal albanisch-stämmige Mitbürger mit einer Behinderung zusammen. Aus Prishtina waren der Direktor von Hendikos, Afrim Maliqi, und die Sozialarbeiterin Alberita Hylaj angereist.

Menschen mit einer Behinderung haben in der Schweiz keinen leichten Zugang zum gesellschaftlichen Leben. Sie können auch die Dienstleistungen, die für sie von Staat eigentlich garantiert sind, nicht ohne weiteres in Anspruch nehmen. Besonders wenn man einen ausländischen Hintergrund hat, sagt Valdete Hoti, Vorstandsmitglied im  Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (zslschweiz.ch) und Vorsitzende des Vereins „Parandalo“.

“Besonders in unserer albanischen Gesellschaft wird eine Person mit einer Behinderung eben auf diese Behinderung reduziert. Man sieht und schätzt nicht die anderen wichtigen Qualitäten, die diese Menschen haben. Auch hier in der Schweiz gibt es Fälle, bei denen Menschen mit einer Behinderung für ihre Rechte – schlimmstenfalls – vor Gericht kämpfen müssen. Solche Fälle sind nicht selten – in einem Land, welches die Internationalen Konventionen der Menschenrechte von Personen mit einer Behinderung unterzeichnet hat. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle aktiv sein müssen und für unsere umfassende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben einstehen müssen”, so Hoti.

“Vereine und Organisationen von Menschen mit einer Behinderung hier in der Schweiz haben die Pflicht, die Umsetzung dieser Regelwerke zu überwachen”, sagt Hoti, Grafikdesignerin und Kulturvermittlerin.

 

Menschen mit einer Behinderung haben es in der Schweiz nicht leicht. Und im Kosovo ist die Situation viel schlimmer. Die Lage der behinderten Menschen in Kosova ist in allen Lebensbereichen sehr schlecht. Natürlich hat Handikos sehr viel daran gearbeitet, die Situation zu verbessern. “Aber ohne politischen Willen für eine solide finanzielle Unterstützung können auch die besten Gesetze nicht implementiert werden. Die Lage der Menschen mit einer Behinderung in Kosova ist weitaus schlimmer als in Ländern der Region oder gar in der Schweiz”, sagt der Vorsitzende von Handikos, Afrim Maliqi.

“Für behinderte Menschen gibt es grosse Probleme beim Zugang an öffentlichen Plätzen und im öffentlichen Verkehr”, so Hoti. Sie fühle sich oftmals dreifach diskriminiert: als Frau, als Ausländerin und als Mensch mit einer Behinderung. “Wir werden weiterehin Menschen mit einer Behinderung unterstützen, damit sie ihre Rechte durchsetzen können”

Seit 2016 engagiert sich Islam Alijaj als Politiker in der SP. Im letzten Parteitag wurde sein Antrag “Aktionsplan zu Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung” angenommen. Mit dem Plan will er ereichen, dass sich die SP weiterhin aktiv für behindert Menschen einsetzt. Und sich für Menschen mit einer Behinderung weiterhin öffnet. Eine Statistik über die Anzahl von albanisch-stämmigen Menschen mit einer Behindeung gebe es nicht, bestätigt Alijaj. Desweiteren engegiert sich Alijaj in Gruppenarbeiten der Dachorganisation Inclusion Handicap in Bern.

Der Gast aus Prishtina, Afrim Maliqi von Handikos, sagte, er sei da, um Erfahrungen auszutauschen. Er wolle diesen Besuch dafür nutzen, weitere Kontakte zu knüpfen und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Vereinen und Organisationen in der Schweiz auszuloten. Er wird an der Universtität Bern einen Vortrag halten und darüber sprechen, wie Menschen mit Behinderung in Kosova leben.

“Wenn es um die Lage von behinderten Menschen in Kosova und in der Schweiz geht, können wir keinen Vergleich zwischen diesen Ländern ziehen. Die Lage in Kosova verbessert sich, aber sehr langsam. Und die ganze Arbeit wird von Menschen gemacht, die selbst eine Behinderung haben”, sagt Afrim Maliqi für albinfo.ch.

“Internationale Konventionen für die Rechte von Menschen mit Behinderung werden in Kosova nur im geringen Masse eingehalten und umgesetzt. Allein die Tatsache, dass die Infrastruktur nicht behindertengerecht gestaltet ist, zeigt, dass die Rechte nicht respektiert werden. In der Schweiz ist die Situation viel besser – die Infrastruktur ist vielerorts angepasst, behinderte Menschen können eine Ausbildung machen und einen Job finden”, erklärt Maliqi.

“Nur 10 bis 12% der Kinder mit einer Behinderung sind im Schulsystem integriert”, betont Maliqi. Zudem müssen behinderte Menschen für alle Kosten für ihre Behandlungen selbst aufkommen, ausser für den Basis-Check. sie erhalten nur eine Sozialhilfe in Höhe von 75 Euro.

“Ein sehr positiver Aspekt ist allerdings, dass die behinderten Menschen bei ihren Familien bleiben und von ihnen auch gepflegt werden. Hierfür beneiden uns viele”, sagt der Direktor von Handikos.

Valdete Hoti ist Grafik-Designerin. Ihr Studium hat sie an der Zürcher Hochschule für Gestaltung und Kunst abgeschlossen. In die Schweiz kam sie als 12 Jährige. In den ersten vier Jahren in der Schweiz hat sie die Schule in einem Rehabilitationszentrum besucht, wo sie auch die Sprache lernte. Zudem hat sie diverse Kurse und Weiterbildungen gemacht. Sie arbeitet auch als Übersetzerin und Kulturvermittlerin. Set 10 Jahren ist sie im Vorstand des Zentrums für Selbstbestimmtes Leben. Sie ist Mitbegründerin und Vorsitzende des Vereins PARANDALO.

Islam Alijaj ist Vater und Ehemann. Seine KV-Lehre machte er in einem Berufsbildungszentrum für Menschen mit einer Behinderung. Er hat sich im Bereich Webdesign und Marketing weitergebildet. Dies hat ihm geholfen, die Barrieren im Internet besser zu verstehen und zu beheben.