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Konsumentenschutz: Gegen pauschalisierende Prämien aufgrund der Nationalität

«Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass die Schadensverursachung einen Einfluss auf die zu bezahlenden Prämien hat. Die Stiftung für Konsumentenschutz ist aber grundsätzlich gegen pauschalisierende Risikoeinteilungen (z.B. aufgrund der Nationalität) und Prämienberechnungen»

Cécile Thomi ist Leiterin Recht bei der Stiftung für Konsumentenschutz. Albinfo.ch wollte von ihr wissen, was der Konsumentenschutz zur Diskriminierung von Ausländerinnen und Ausländern bei Versicherungsprämien sagt. Im Interview zeigt Frau Thomi diese Problematik auf und erklärt die Einstellung der Stiftung für Konsumentenschutz zu dieser Thematik.

Cécile Thomi

Albinfo.ch: Die schweizerische Presse greift das Thema der Diskriminierung bestimmter Volksgruppen in Sachen Autoversicherung immer wieder auf. Die letzte fundierte und umfangreichste Information war in den “Handelszeitung” zu lesen. Sind Sie als Stiftung für Konsumentenschutz über den Stand der Dinge informiert?

Cécile Thomi: Die Diskriminierungsproblematik ist uns ebenfalls bekannt. Das Beispiel von Autofahrern vor allem aus dem Balkan, die grundsätzlich höhere Autohaftpflichtversicherungsprämien bezahlen, ist dabei wohl das bekannteste und medienwirksamste Thema. Es gibt aber andere Bereiche, in denen es zu Diskriminierungen kommt, die von der menschlichen Tragweite noch relevanter sind, die in der Öffentlichkeit aber kaum bekannt sind. So etwa, dass chronisch Kranke oder älter Menschen kaum eine Chance haben, z.B. eine Berufsunfähigkeits- oder Lebensversicherungen abzuschliessen oder viel höhere Prämien bezahlen. Besonders stossend ist, dass es für Eltern von behinderten Kindern sozusagen unmöglich ist, für ihre Kinder eine Krankenkassenzusatzversicherung abzuschliessen.

Diskriminierung wegen des Geschlechts sind in der EU seit 2012 verboten. In Risikolebens- und privaten Rentenversicherungen, privaten Krankenversicherungen sowie den Auto- und Unfallversicherungen sind nur noch Unisex-Tarife zulässig. In der Schweiz gibt es leider kein solches Verbot und die Versicherer setzen weiterhin einfach auf Zahlenmaterial, auf Risikofaktoren, die statistisch relevant sind. Also: Frauen werden durchschnittlich älter als Männer, also bezahlen sie in der Krankenkassenzusatzversicherung höhere Prämien. Männer fahren schneller und unvorsichtiger Auto, also bezahlen sie höhere Autohaftpflichtversicherungsprämien.

Albinfo.ch: Betrachten Sie dies auch als Diskriminierung oder ist es einfach Ausdruck der Realität?

Cécile Thomi: Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass die Schadensverursachung einen Einfluss auf die zu bezahlenden Prämien hat. Die Stiftung für Konsumentenschutz ist aber grundsätzlich gegen pauschalisierende Risikoeinteilungen (z.B. auf Grund der Nationalität) und Prämienberechnungen. Gerechter wäre es, ganz einfach auf ein generelles Bonus-Malus-System zu setzen, so wie das z.B. bei der Hausratversicherung seit vielen Jahren gemacht wird. Dieses System könnte problemlos z.B. auch in der Autohaftpflichtversicherung eingesetzt werden. Also: wer über einen gewissen Zeitraum keinen Schaden verursacht, erhält eine Prämienverbilligung (unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Alter etc.). Umgekehrt, wer Schäden verursacht, muss mit einer Prämienerhöhung rechnen. Und die Ausgangsprämie wäre für einen bestimmten Fahrzeugtyp für alle Versicherungsnehmer dieselbe.

Albinfo.ch: Gab es bis jetzt irgendwelche Beschwerden von betroffenen Volksgruppen oder Einzelpersonen?

Cécile Thomi: Konkrete Meldungen von Versicherten bzw. bestimmten Volksgruppen liegen uns nicht vor.