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Der Weg von Lorik Cana: Sport, Kultur und Nation

"Bevor ich meine Karriere beendete, dachte ich darüber nach, wie ich weiterhin einen Beitrag für die Gesellschaft und mein Land leisten kann. So begann die Arbeit der Stiftung Lorik Cana 5, einer Stiftung, die die Welt des Sports mit jener der Kultur verbindet."

Es ist das Jahr 2010 und der Raum ist voll. Wir sind alle um den Fernseher versammelt, glücklich, dass es an diesem Abend Strom gibt. Auf dem Bildschirm läuft er 90 Minuten lang ohne Unterbrechung, mit der Geschwindigkeit und Entschlossenheit von jemandem, der niemals müde wird.

Lorik Cana ist vor allem als eine Ikone bekannt, die den Fußball zu einem Familienereignis gemacht hat, als Sportler, der die Stadien weit über ihre Kapazität hinaus füllte, als jener, der Albanien zur UEFA Euro 2016 führte, und als Spieler, der ein seltenes Gefühl nationaler Einheit schuf, bei dem alle albanischen Gebiete in einer einzigen Mannschaft unter demselben Trikot vertreten waren.

Die Autorin des Textes, mit Lorik Cana

Diese Tradition setzte sich Spiel für Spiel fort. Wir kamen weiterhin so zusammen, Frauen, Männer und Kinder, zu jeder Begegnung, in der der Kapitän spielte. Von 2003 bis 2016 absolvierte er 93 Spiele, davon 41 als Kapitän. [1]

Er vereinte uns rund um die Identität des Albanischseins

Er wurde in Prishtina geboren, doch seine Karriere begann genau hier in der Schweiz, in Lausanne, beim Klub Dardania, der von seinem Vater geführt wurde. Cana wuchs zwischen Trikots, dem Spielfeld und Disziplin auf. Der Höhepunkt seines Weges war ohne Zweifel die Rolle des Kapitäns der Nationalmannschaft. Über die Tore hinaus und über seinen Durchbruch auf der internationalen Bühne hinaus schenkte er uns einen Stolz von beinahe mythischer Dimension.

Da waren auch jene Gesten eines kämpferischen Geistes, mit gelben Karten, roten Karten, manchmal sogar mit beiden zugleich, und ja, in jenem unvergesslichen Spiel flogen auch die Fäuste. Heute trägt er das Image eines Sportbotschafters, wurde 2015 zum Ehrenbotschafter des Kosovo ernannt und besitzt seit 2016 auch den Status eines Diplomaten der Republik Albanien. Lorik Cana verkörpert ein Bild, mit dem sich Albanerinnen und Albaner weltweit identifizieren. Dieses Bild, dieses außergewöhnliche Engagement für die Nation und alles, was unter dem albanischen Dach vereint ist, erlosch nicht mit seinem Abschied vom Spielfeld. Im Gegenteil.

Sein Beitrag endete nicht auf dem Spielfeld

In einem Interview aus dem Jahr 2018 sprach er über den Übergang vom Sport zur Kultur:

“Bevor ich meine Karriere beendete, dachte ich darüber nach, auf welche Weise ich weiterhin eine Form von Beitrag leisten könnte, über das Wohlergehen meiner Familie hinaus. Einen Beitrag für die Gesellschaft und mein Land. Ich spreche von den albanischsprachigen Ländern: Kosovo, Albanien und anderen.” [2]

So begann die Arbeit der Stiftung Lorik Cana 5, einer Stiftung, die Verbindungen zwischen der Welt des Sports und jener der Kultur knüpft. [3]

Was zunächst überrascht, ist, dass die Stiftung nicht direkt mit dem Fußball begann, sondern mit Kinderkrippen und Kindergärten, dort, wo die ersten Schritte der Sportlerinnen und Sportler von morgen entstehen. Schon in jungen Jahren lernen Kinder dort Bewegung, Disziplin und Zusammenarbeit, Werte, die sie später im Sport wie auch im Leben begleiten.

Der Weg von Lorik Cana: “Ein Blut, eine Sprache, ein Kapitän”

Durch die Aktivitäten der Stiftung bleibt Lorik in den Medien ebenso präsent wie früher, doch heute richtet sich seine Aufmerksamkeit anders aus. Er spricht nicht mehr nur über Aufstellungen oder Spiele der europäischen Wettbewerbe. Stattdessen thematisiert er die Sprache, das kulturelle Erbe und die Frage, wie unsere Identität über die Grenzen der albanischsprachigen Gebiete hinaus bewahrt werden kann.

Zu den jüngsten Projekten der Stiftung Lorik Cana 5 gehört auch ein Dokumentarfilm, der in Zusammenarbeit mit dem italienischen Regisseur Alessandro Ferrantelli entstanden ist und den Titel “UDHA, Ein Blut, eine Sprache, eine Besa” trägt. Der Dokumentarfilm wurde bereits in New York, Florenz und Zürich gezeigt und hat Lorik damit nicht nur eine tiefere Verbindung zur albanischen Kultur ermöglicht, sondern auch eine direkte Nähe zur albanischen Gemeinschaft geschaffen.

Der Dokumentarfilm beleuchtet das Leben der Arbëresh in Italien, die seit mehr als fünf Jahrhunderten die albanische Sprache, Bräuche und Traditionen bewahrt haben. Diese Gemeinschaft bleibt ein inspirierendes Beispiel für alle Albanerinnen und Albaner auf der ganzen Welt.

Die Sprache ist das Herz eines Volkes, selbst wenn sie mitten in Sizilien und Kalabrien gesprochen wird.

Lorik Cana nimmt uns gemeinsam mit Arbër Agalliu und den Arbëresh aus zahlreichen Kleinstädten und Dörfern Süditaliens mit auf diese Reise. Von einem Ort zum anderen gehend, ist der Dokumentarfilm reich an lebendigen und authentischen Erzählungen sowie Gesprächen, getragen von einem Mosaik albanischer Dialekte.

Es gibt darin auch Momente tiefer Reflexion, von denen einer besonders eindrucksvoll ist. In dieser Szene erscheinen Lorik und Arbër auf den Gipfeln der Berge, die die arbëreshen Regionen durchziehen. In einem Austausch, der sich ausschließlich zwischen zwei Freunden abspielt, die dieselben Leidenschaften teilen, stellen sie etwas fest, das keineswegs zufällig ist: Die meisten arbëreshen Dörfer wurden an den Berghängen errichtet, die zur Ionischen See hin ausgerichtet sind, zum Horizont, an dem sich Albanien erstreckt.

Immer mit Blick und Herz der Heimat zugewandt

Der Dokumentarfilm wurde am 27. Juni in Zürich gezeigt. Dort berichtete Lorik, dass die Stiftung Lorik Cana 5 plant, auch weitere bedeutende Ereignisse für die albanische Nation zu dokumentieren. Ereignisse, die reich an Botschaften, Geschichten und kulturellem Erbe sind. Mit diesem Dokumentarfilm und den kommenden Projekten, an denen er arbeitet, rückt Cana die arbëreshische Kultur als Symbol für den Erhalt unseres kollektiven Erbes in den Mittelpunkt und erinnert daran, dass die albanische Diaspora eine weit ältere, reichere und tiefere Geschichte besitzt als die politischen und wirtschaftlichen Abwanderungen der letzten Jahrzehnte.

Der Dokumentarfilm regt dazu an, darüber nachzudenken, dass wir nicht lediglich eine Arbeitskraft sind, die den Volkswirtschaften der Länder dient, in denen wir leben. Für die albanische Diaspora überall auf der Welt, auch hier in der Schweiz, ist die Bewahrung von Sprache und Kultur von zentraler Bedeutung, um das zu bleiben, was wir sind, insbesondere dann, wenn zugleich eine vollständige Integration in die Gesellschaften erwartet wird, in denen wir uns für ein Leben entschieden haben.

Als die Vorführung des Dokumentarfilms endete und Lorik sich darauf vorbereitete, den Saal zu verlassen, trat jemand an ihn heran und sagte:

“Kapitän, können wir ein Foto machen?”

Er stimmt selbstverständlich zu und lächelt mit viel Charme, sodass sich alle nicht nur als Teil dieses Abends fühlen, sondern als Teil von etwas Neuem, das gerade erst begonnen hat.

Lorik Cana, Botschafter der Kultur, wurde von der Medienplattform albinfo.ch für sein nationales Engagement zur Persönlichkeit des Jahres 2025 ernannt.

Legendärer Kapitän der Nationalmannschaft, vereinigende Figur und Botschafter der Kultur durch philanthropische und dokumentarische Projekte.