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Ein spannender Beitrag über die Sprachentwicklung der albanischen Kinder in der Schweiz

Driter Gjukaj, angehender Primarlehrer aus der Schweiz, hat einen Podcast (Interviewreihe) über die Sprachentwicklung der albanischen Kinder in der Diaspora erstellt. Im Interview mit Albinfo.ch berichtet er uns über seine Erfahrungen während der Realisierung seines Projektes.

Gjukaj redet auch über die Rolle der Eltern während der Einschulung und über die Wichtigkeit, dass interessierten Eltern professionelle Beratungsangebote für die Umgebungssprache ihrer Kinder zugänglich gemacht werden sollte.

Wie kamst du zu der Idee einen solchen Podcast zu erstellen?

Der Podcast entwickelte sich im Verlauf meines Studiums an der Pädagogischen Hochschule in Zürich.

Thematisch interessierte ich mich für Schwierigkeiten in der Transititonphase aus Sicht des Kindes. Dabei fokussierte ich mich auf die Perspektive von Kindern, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, in meinem Fall Kinder aus albanischsprachigen Familien. Um Antworten zu meiner Leitfrage zu finden, habe ich vier verschiedene Familien und ihre Kinder während der Einschulungsphase  begleitet und porträtiert. Meine Beobachtungen und Befunde habe ich in einem abschliessenden Interview zusammen mit der Logopädin und Expertin für frühe Sprachbildung Frau Ivana Chatton besprochen. Während dieser Zeit musste ich in den sozialen Netzwerken nach freiwilligen Familien für meine Interviewreihe suchen und dabei wurde ich von einer engagierten Journalistin in der Diaspora kontaktiert, namentlich Frau Hava Kurti Krasniqi. Sie ermutigte mich meine Resultate zu veröffentlichen. Daher kam auch meine Idee auf meine Interviewreihen in Form eines Podcasts zusammenzufassen.

Auf welche Befunde bist du gestossen?

Zusammengefasst bin ich auf drei verschiedene Resultate gestossen. Während der ersten Recherche habe ich einen Vergleich zwischen Kindern, die vor Schulbeginn in Familien nur auf Albanisch erzogen wurden, mit Kindern, die zu Hause während der Vorschulzeit Albanisch und Deutsch sprachen, gemacht. Das Ergebnis war erstaunlich, denn Erfolg oder Misserfolg in der Übergangsphase aus Sicht von Kindern hängt, gemäss meinen Ergebnissen, nicht davon ab, ob ein Kind zu Hause in einer oder in zwei Sprachen erzogen wird. Für beide Arten des Spracherwerbs gibt es Beispiele, die von einem erfolgreichen Übergang in der Schule sprechen, sowie Beispiele mit langfristigen Sprachschwierigkeiten.

In der zweiten Untersuchung habe ich die Tatsache analysiert, warum bei vielen Minderheiten auf der ganzen Welt festgestellt werden kann, dass Kinder mit Migrationshintergrund bereits in der ersten und zweiten Generation besser und häufiger in der Landessprache oder in der Schulsprache kommunizieren und warum die erste Sprache (in unserem Fall die albanische Sprache) schrittweise verloren geht. Im Bereich der Sprachentwicklungswissenschaft wird dieses Phänomen als Phänomen der subtraktiven Zweisprachigkeit definiert. Dies ist der Fall, wenn Kinder in der Diaspora nur die Amtssprache (Deutsch) lernen, während die Muttersprache (Albanisch) weder in der Schule noch ausserhalb der Schule professionell gefördert wird. Beim gegenteiligen Phänomen wird von der Entwicklung einer additiven Zweisprachigkeit gesprochen. In diesem Fall wird die zweite Sprache, Deutsch, auf Grundlage der albanischen Muttersprache gelernt. Daher verläuft die Sprachentwicklung aufeinander aufbauend und parallel.

Für die parallele Sprachentwicklung ist eine professionelle Beratung der Eltern erforderlich. Woher sollten Eltern mit einsprachiger Sozialisation (nur Albanisch) über die schulischen Bedürfnisse und Schwierigkeiten zweisprachiger Kinder (Albanisch und Deutsch) Bescheid wissen?

In der dritten Untersuchung sprach ich mit Frau Chatton über Kinder, die beide Sprachen mischen, und darüber, was in diesen Fällen von uns als Eltern oder Lehrpersonen verlangt wird. Frau (kein Punkt) Chatton sagt, dies sei eine natürliche Entwicklung zweisprachiger Kinder. Für die Eltern ist es wichtig, Verständnis dafür zu zeigen, dass das Kind auch weiss, wie man sich in einer Fremdsprache (Deutsch) ausdrückt, und dass die Pädagogen die Vielfalt der Sprachen in ihrem Klassenzimmer respektieren sollten. Die gleichzeitige Verwendung zwischen der Erst- und Zweitsprache von bilingualen Kindern sollte keinesfalls vollständig verboten werden. Optimalerweise sollte dieser Fall verwendet werden, um mit dem zweisprachigen Kind in einem Dialog über Sprachvielfalt zu treten. „Ah du hast ein Deutsches Wort verwendet, weißt du auch wie man dieses Wort auf Albanisch übersetzt?“ Wenn beispielsweise ein Kind während eines Gesprächs auf Albanisch ein deutsches Wort bringt, definieren wir als Experten dieses Phänomen als “Code-Switching”. Dies ist keinesfalls eine Schwäche oder eine Sprachstörung, sondern eine positive Eigenschaft, die zweisprachige Kinder mitbringen. Dieses Phänomen kann in vielen mehrsprachigen Familien und Kulturen beobachtet werden und ist normal. Wenn das Kind die beiden Sprachen zusammen verwendet, ist es hier wichtig, auch die Verwendung der richtigen Grammatik zu berücksichtigen. Für eine grosse Anzahl von Migrantenkindern, fügt Frau Chatton hinzu, ist es zu einer Art Trend geworden, “nicht grammatisch” zu sprechen. Solange ein Kind jedoch bewusst zwischen beiden Grammatikstrukturen unterscheiden kann, ist dieses Phänomen auch keine Schwäche, sondern eine charakteristische Stärke zweisprachiger Kinder. Experten sprechen in diesem Fall auch über die metalinguistische Bewusstheit.

Planen Sie es ins Albanische zu übersetzen? Dritër Gjukaj:

Ich würde diesen Podcast gerne ins Albanische übersetzen. Es ist aber eher eine Frage des Aufwandes und der Zeit, ob ich mich auf ein weiteres Projekt einlassen werde. Was ich präsentiere, entwickelte sich innerhalb eines Semesterstudiums. Dieses Thema hat mich in diesem Schuljahr in meiner Rolle als Vater von zwei schulpflichtigen Kindern beschäftigt, und ich bin sicher, dass es in Zukunft auch ein Thema für andere Familien sein wird, daher teile ich meine Erkenntnisse gerne weiter.

Albinfo.ch: Wie wichtig ist es für albanische Kinder, in der Schweiz ihre Muttersprache zu lernen? Dritër Gjukaj: Jede Familie sollte sich diese Frage selbst stellen und sich der eigenen Verantwortung sowohl in ihrer Rolle als Eltern als auch in ihrer Rolle als Mitglieder einer sprachlichen Minderheit in der Schweiz bewusst sein. Meiner Meinung nach sind meine Ergebnisse selbsterklärend. Für mich ist es wichtig, dass sich meine Kinder sowohl auf Albanisch als auch auf Deutsch gut und kompetent ausdrücken können. Soziologie spricht davon, dass Minderheiten nur so stark sein können, wie ihr Herkunftsland (dh verantwortliche Institutionen) sie auch aktiv unterstützt und stärkt. Während meiner Arbeit habe ich auf den zweisprachigen Unterricht in Amerika (Portugiesisch-Englisch) und in Deutschland (Türkisch-Deutsch) aufmerksam gemacht, die Studienergebnisse haben dabei deutlich gezeigt, dass es sehr wohl Minderheiten gibt, die in der Lage sind, ihre Kinder in der Diaspora in zwei Sprachen erfolgreich zu erziehen. (Additiver Bilingualismus)

Wer ist Dritër Gjukaj? Ich bin in der Schweiz aufgewachsen und ich habe hier in Zürich das Gymnasium abgeschlossen. Mein Grossvater Tahir Gjukaj wanderte 1973 in Embrach ein und meine drei Kinder leben nach ihm bereits in der vierten Generation in der Schweiz. Ich bin sehr stolz auf meine kosovarischen Wurzeln. Daher versuche ich zusammen mit meiner Ehefrau unsere Kinder auch im Alltag unsere Sprache und Kultur zu vermitteln. Im Jahr 2023 können wir das 50-jährige Bestehen der Familie Gjukaj in der Schweiz feiern. Ich habe im Jahr 2016 angefangen an der Pädagogischen Hochschule in Zürich zu studieren. Während dem Studium habe ich in Zürich-Leimbach und Wettingen als Primarlehrer gearbeitet. Ich werde voraussichtlich im Sommer 2021 meine Ausbildung abschliessen.

Podcast:

https://www.youtube.com/watch?v=rSYnPle13Pg&feature=youtu.be