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Einst als Flüchtlingskind gekommen, verwaltet Kaltrina Durmishi in Österreich heute Milliarden Euros

Kaltrina Durmishi ist das beste Beispiel für die Integration der Albaner in Österreich. Sie war als Flüchtling nach Österreich gekommen, und heute gehen Milliardeneurobeträge der Raiffeisenbank durch ihre Hände. Albinfo.ch besuchte sie in ihrem Büro, um sich von Arbeit und Erfolg der jungen Frau, die alle Albanerinnen und Albaner mit Stolz erfüllt, ein Bild aus der Nähe zu machen.

 

Von Kaltrina Durmishi hatte ich schon gehört, bevor ich nach Wien kam. Ich hatte sie oft am Fernsehen gesehen, als sie für die albanischsprachigen Politiker anlässlich deren Besuche in Österreich dolmetschte, oder wenn sie albanische Veranstaltungen und kulturelle Aktivitäten in Österreich moderierte. Kaum war ich in Wien, bemühte ich mich darum, sie mit Hilfe einiger Freunde kennenzulernen. Es hiess, sie arbeite bei der Raiffeisenbank, worauf ich den Kontakt herstellte und wir ins Gespräch kamen. Sie sagte mir die Adresse ihres Arbeitsortes. Ich ging zu der Filiale der Bank, in der Meinung, sie dort als Angestellte an einem der Schalter anzutreffen, aber nein! Als ich eintrat, musste ich mich bei der Rezeption melden. Das tat ich und sagte, ich hätte ein Treffen mit Kaltrina Durmishi vereinbart. Man bat mich zu warten, da gerade eine ausländische Delegation bei ihr weile. Nachdem ich ein paar Minuten gewartet hatte, kam Kaltrina vom fünften Stock ihres Büros herunter. Eine elegante junge Frau, unkompliziert und fliessend Albanisch sprechend, was den Eindruck erweckte, sie hätte das Studium in Kosova und nicht in Wien abgeschlossen. Sie bat mich um Entschuldigung fürs Warten und lud mich zu einem Kaffee ein. “Ich hatte ein Treffen mit einer russischen Delegation, wobei es um Investitionen in der Höhe von einigen Millionen Euro ging”, gab sie für albinfo.ch ein klein wenig vom Inhalt des Treffens preis.

Doch für Kaltrina ist dies nur ein gewöhnlicher Tag, denn sie hat jeden Tag Treffen mit Vertreterinnen aus den verschiedensten Ländern der Welt. “Wir befassen uns mit der Einhaltung der Gesetze bei finanziellen Investitionen. In meiner Verantwortung liegt es, dass bei Geldern in der Höhe von rund 20 Milliarden Euro, welche die Raiffeisenbank verwaltet, alle Gesetze, Regeln und gesetzlichen Limiten Österreichs und Europas eingehalten werden. Ich trage die Verantwortung für alle Vermögenswerte, die täglich nach weltweit gültigen Standards bewertet werden, und jeder Verlust oder Gewinn ist unter meiner Kontrolle”, erzählt die junge Frau aus Skenderaj.

Die Zahlen der Geldsummen sind für mich nur mathematische Rechnungen

Doch wie gelingt es ihr, alle diese Summen, die durch ihre Hände gehen, zu verwalten?

“Es ist keinesfalls so, dass nur ich mit solchen Geldern arbeite, es gibt viele andere, die dasselbe tun. Alles ist sehr automatisch und verlangt grosse Konzentration und Sorgfalt. Die grossen Zahlen der Geldsummen beeindrucken unsereins überhaupt nicht, für mich sind es nur Zahlen und mathematische Rechnungen. Ich denke dabei nie an Geldbeträge”, antwortet sie.

Kaltrina und ihre Familie verliessen Kosovo 1998, als sie in der dritten Klasse der Primarschule war. Zusammen mit ihren Eltern und Schwestern gelangten sie auf mühsamem Weg bis nach Österreich. Lange Zeit waren sie in Ungarn untergebracht gewesen. Der schlimmste Moment jener Zeit war, als sie die schreckliche Nachricht erfuhren, dass auch ihr Onkel, Fekë Durmishi, umgebracht worden war. Später gingen sie weiter nach Österreich, wo noch eine Schwester Kaltrinas zur Welt kam. So beschlossen sie, vorübergehend dort zu leben, doch bis heute verliessen sie diesen Staat nicht mehr, im Gegenteil, Kaltrina und ihre Familie haben heute alle österreichische Pässe.

Schon zu Beginn integrierte sich Kaltrina sehr gut in der Schule und in der österreichischen Gesellschaft, indem sie sehr schnell deutsch lernte, und vor allem in der Mathematik hatte sie schon nach nur sechs Monaten die besten Resultate in der Klasse. Das ermöglichte ihr, nachher ins Gymnasium zu gehen und anschliessend an der Wirtschaftsfakultät und Politikwissenschaften zu studieren. In letzteren machte sie auch ihren Magister. “Mit meinen Eltern habe ich nie darüber diskutiert, ob ich studieren soll, sondern nur, was ich studieren solle. Sie unterstützen mich bei allem im Leben. Sie lehrten mich, immer hartnäckig zu sein und nie aufzugeben, bevor ich nicht Erfolg habe”, äussert sie sich dankbar.

Vorbild der Integration

Kaltrina ist ein Vorbild für die Integration der Albaner in Österreich. Sie sagt, sie habe sich niemals als “Ausländerin” gefühlt in Österreich. “Ich habe meine nationale Zugehörigkeit nie verleugnet und ich wurde nie diskriminiert. Ich denke, dass die Albaner sich häufig selbst distanzieren und sich den andern Menschen in Österreich nicht gleich fühlen. Wenn wir uns gleich fühlen, wenn unsere Jungen Schul- und Berufsausbildungen haben, dann kann uns niemand diskriminieren”, äussert Durmishi ihre Meinung gegenüber albinfo.ch.

Seit elf Jahren ist Kaltrina Moderatorin für die kulturellen Aktivitäten des Kunst- und Kulturvereins “17 Shkurti”, der von Tahir Turkaj in Wien geleitet wird. “Das ist ein sehr bescheidener Beitrag, den ich für mein Land zu geben versuche”, sagt sie und fügt bei, dass sie ihre Freizeit humanitären Aktionen widmet, insbesondere hilft sie kranken Kindern. “Das habe ich von meinem verstorbenen Onkel, Onkel Fekë, geerbt.”

Und während wir auch über die politische Situation in Kosova sprachen, sagte Kaltrina, sie habe bis jetzt einige, ihrer Meinung nach jedoch nicht seriöse Stellenangebote aus Kosova erhalten. “Ein wirklich ernsthaftes Angebot, nicht ein politisches, sondern eines, bei dem es um eine Arbeit für das allgemeine Wohl gehen würde, hätte ich angenommen. Nie werde ich jedoch ein Angebot annehmen, das irgendeinem politischen Programm unterstellt werden muss”, sagt sie entschieden.

Nichtsdestotrotz besucht Kaltrina, auch wenn sie in Österreich aufgewachsen ist, wann immer sie die Möglichkeit hat in jeden Ferien Kosovo. “Dort sind unsere Verwandten, unser Haus, dort ist die Hälfte des Herzens …”.

Hochzeit in Kosovo

Doch die kommenden Ferien werden für Kaltrina etwas Besonderes sein, vielleicht die schönsten Ferien in ihrem Leben. “Natürlich sind sie nicht nur für mich besonders, sondern auch für meine Familie. Im August werde ich in Kosova Hochzeit feiern. Da mein Verlobter aus Gjakova ist, haben wir ein Restaurant in der Nähe von Prizren reserviert und wir werden eine grosse Hochzeitsfeier machen, eine Kombination von Drenica und Gjakova. Die Hochzeit wird all jene Elemente enthalten, die mir und meinem Verlobten gefallen. Wir wählten aus der Tradition, was uns gefällt, und kombinieren es mit dem Modernen.”

Am Ende des Gesprächs sagte uns Kaltrina, zur Zeit geniesse sie die Tage mit ihrer Familie, mit ihren Schwestern und dem einzigen Bruder, während sie für die Zukunft plane, noch weiter fortzufahren in der Ausbildung und dabei immer Erfolg zu haben!