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Gesundheitsdienstleistungen ohne Sprachbarrieren

Unkenntnis der Sprache darf kein Hindernis bei der Nutzung qualitativ guter Gesundheitsdienstleistungen sein, hiess es an der Nationalen Konferenz über Gesundheit und Migration unter anderem

Selbstverständlich haben Menschen ausländischer Herkunft einen gleichberechtigten Zugang zu medizinischen Leistungen in der Schweiz, wie alle andern Personen auch. Doch ist die Nutzung dieser Leistungen oft mit spezifischen, hauptsächlich auf Sprach- und Verständnisschwierigkeiten beruhenden Problemen verbunden. Um diese Probleme zu mildern bzw. um auch bei der ärztlichen Behandlung von Angehörigen der Bevölkerung mit Migrationshintergrund genügend Wirksamkeit zu gewährleisten, ist bis 2017 ein Projekt auf nationaler Ebene im Gang, das Übersetzungs- und Dolmetschdienstleistungen in den Spitälern unterstützt.

Übersetzungsdienstleistungen als Hilfsmittel bei der Gewähr wirkungsvoller Gesundheitsdienstleistungen für Ausländerinnen und Ausländer waren in einem weiteren Sinne das Hauptthema der ersten Konferenz über Gesundheit und Migration, die Ende letzter Woche in Bern stattfand. Nebst Trägern von einzelnen regionalen Projekten für einen besseren Zugang von Migrantinnen und Migranten zu medizinischen Dienstleistungen nahmen an der Konferenz auch Fachleute aus dem einheimischen staatlichen Gesundheitsbereich teil. Das Spektrum wurde ergänzt durch Beiträge aus dem Ausland, in denen Vertreter prestigeträchtiger Universitätsspitäler der USA, der Niederlande etc. von ihren Erfahrungen berichteten. Unter anderem sprachen Alexander R. Green vom Massachusetts General Hospital und Professor an der Medizinischen Fakultät von Harvard, David Ingelby von der Universität Amsterdam und andere.

Serge Houmard, Koordinator von “Migrant Friendly Hospital Project”, stellte zu Beginn die Ziele der Konferenz vor, nämlich die Gewähr des Zugangs zu medizinischen Dienstleistungen für alle ohne Unterschied nach Sprache und Herkunft, die Gewähr von Verständigung trotz sprachlicher Barrieren etc.

BAG: Bald soll der Gürtel enger geschnallt werden

Die Konferenz wurde im Namen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) von dessen Vizedirektor Stefan Spycher eröffnet. Er stellte die Strategie “Gesundheit 2020” des BAG vor und nahm an den teilweise heftig geführten Diskussionen der Konferenz teil.

2017 läuft das Projekt mit dem Budget für die Übersetzungen in den Spitälern aus. Bis dann wird über eine allfällige andere Lösung politisch entschieden werden müssen, teilte Spycher mit.                      Die Gewähr von Qualität bei medizinischen Dienstleistungen für die eingewanderte Bevölkerung bedingt Investitionen in die Qualität des Übersetzens und Dolmetschens. Diese Investitionen sind jedoch kostspielig und nicht immer sind die Behörden bereit, sie zu übernehmen. Um diesen Widerspruch ging es auch in den Diskussionen zwischen den Konferenzteilnehmern.

 

Die Vertreter der Spitäler forderten, die Projekte zur Unterstützung der Übersetzerinnen seien weiterzuführen und zu fördern, während vom BAG diesbezüglich Bremssignale kamen. Das Bundesamt ist der Meinung, die Kantone und Spitäler müssten selbst alternative und kreative Lösungen finden und nicht erwarten, dass der Bund diesen Bereich des Gesundheitswesen langfristig finanziere.

Erfahrungen aus den USA bezüglich Probleme mit fremdsprachigen Patienten brachte Lourdes Sanchez vom Universitätsspital New York ein. Rund 20% der US-amerikanischen Bevölkerung oder 55 Millionen Personen sprechen zuhause eine andere Sprache als Englisch. 37,6 Millionen von diesen wiederum sprechen Spanisch, sagte Sanchez. Sie berichtete, dass es betreffend Dolmetschen in den Spitälern keine einheitliche Lösung für die ganze USA gebe, sondern dass es Fälle gebe, wie im Boston Medical Center, wo ein spezieller Dienst für die Übersetzung ins bzw. aus dem Spanischen zur Verfügung stehe, etc.

Interessant war das  an der Konferenz vorgestellte Modell der Spitäler des Kantons Solothurn, die ein gemeinsames Netz für Übersetzungsdienstleistungen für die Patienten haben. Diese schwierige Aufgabe werde von allen Beteiligten mit viel Einsatz  umgesetzt, urteilten die Träger des Netzes.

58% der Patientinnen sind ausländischer Herkunft!

Dr. Sylvie Schuster vom Universitätsspital Basel berichtete detailliert von den Erfahrungen aus den Übersetzungseinsätzen, mit welchen dieses Spital vergleichsweise früh begonnen hatte. Gemäss Statistik lebten 1987 in Basel 20% Ausländer. Bis 2011 wuchs dieser Anteil auf 33% an, was deutlich über dem Schweizer Durchschnitt liegt. Doch der Anteil der in den Spitälern behandelten ausländischen Personen ist noch höher, nämlich 35,6%. Im Frauenspital sind sogar 58% der Patientinnen ausländischer Herkunft, hob Dr. Schuster hervor!

26% der in den Basler Spitälern Beschäftigten sind ursprünglich aus dem Ausland. Der Übersetzungsdienst im Universitätsspital funktioniert seit 1987. Anfänglich wurde nur ins und aus dem Türkischen übersetzt, während heute 75 Sprachen gedolmetscht werden.

Nebst der Schilderung von guten und weniger guten Erfahrungen drehte sich die Diskussion im Verlauf der Konferenz mehr oder weniger um folgende Fragen: Zahlt sich Qualität aus, muss beim Übersetzen gespart werden und die Frage nach dem ethischen Dilemma, in das ein solches Sparen führt. Sparen in diesem Bereich stellt aus Sicht des humanitären ärztlichen Berufsbilds die Pflicht in Frage, allen ohne Unterschied medizinischen Beistand zu leisten. Unkenntnis der Sprache darf kein Hindernis bei der Nutzung dieser qualifizierten Gesundheitsdienstleistungen sein. Doch gab es auch Ansätze, die von den Patienten ausländischer Herkunft verlangten, nicht zu erwarten, dass alles bereit sei, sondern sich die Mühe zu nehmen, die Sprachen des Landes, in dem sie lebten, zu lernen.

Bodenmann: Wir müssen die Qualität der Kommunikation mit den Patienten ausländischer Herkunft verbessern

Professor Patrick Bodenmann vom Universitätsspital Lausanne ist einer der Organisatoren der Konferenz. Gegenüber albinfo.ch  betont er im Gespräch über die Ziele der Konferenz, dass auch Migranten unbedingt in den Genuss wirkungsvoller medizinischer Dienstleistungen kommen müssen, unabhängig von sprachlichen Barrieren.

Bodenmann erzählt von seinen persönlichen Erfahrungen und denjenigen des Lausanner Universitätsspitals mit den Patientinnen und Patienten, die in den 90er-Jahren als Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten im Balkan kamen. Sie hätten das Spital veranlasst, sich ernsthafter mit dem Aufbau eines starken Übersetzungs- und Dolmetschdienstes zu befassen.

Er sagt, nicht wenige Schweizer, die hier geboren und aufgewachsen seien, hätten ebenfalls Schwierigkeiten beim Verständnis medizinischer Ausdrücke und hätten in der Folge nicht genügend Kenntnis von ihrem Gesundheitszustand. “Die Fähigkeiten zum Verständnis von Konzepten sind unterschiedlich, je nach Bildungsgrad der Patienten. Wir verbessern unsere beruflichen Kompetenzen, doch wir müssen auch Fortschritte in der Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten, vor allem denjenigen ausländischer Herkunft, machen”, unterstrich Bodenmann unter anderem.

Blerim Shabani