Entwicklung

Kumanova – Schutz und Zuflucht für syrische Emigranten

Die Moschee von Kumanova wird Tag für Tag mehr zum Sammelzentrum tausender Emigranten aus dem Mittleren Osten

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Hof und Innenräume der Moschee sind überfüllt mit Emigranten, die von freundlichen Freiwilligen von humanitären Organisationen betreut werden, aber auch von Menschen aus der Bevölkerung, die sich freiwillig zur Hilfe für die Emigrantinnen zur Verfügung stellen.

Deren Berichte davon, wie sie dem Tod entkamen, sind bedrückend und traurig. Die Flüchtlinge, die des Überlebens willen Syrien und Afghanistan verliessen, legen für albinfo.ch Zeugnis ab von Fussmärschen über Tausende von Kilometern, über den Tod von Familienangehörigen irgendwo in den Bergen unterwegs, den Kummer der Kinder, den Hunger und das Überleben ohne Brot und Wasser während mehr als drei Tagen.

Die Emigranten sagen, die Moschee von Kumanovo sei für sie ein heiliger Ort, ein Zentrum, wo sie Rettung und Gastfreundlichkeit finden. Sie wiederholen, dass sie es den Menschen von Kumanovo nie vergessen werden, auf welch bedingungslose Art und Weise diese ihnen helfen, sie medizinisch und humanitär betreuen und auch sonst alles Nötige für sie bringen würden.

Mohammad al – Mousa, ein älterer Syrier, sagt, dass ihn die offensichtliche Solidarität der Bevölkerung Kumanovas in Staunen versetze.

“Wir sind sehr dankbar und Gott möge diesem so menschlichen und grosszügigen Volk beistehen. Sie bringen uns alles. Solche Hilfe und Unterstützung fanden wir nirgends auf unserer Reise zu Fuss. Alle sagen das – und Sie als Volk werden für uns ein Symbol der Menschlichkeit sein”, sagt Mohammad al-Mousa, ein syrischer Intellektueller, der mit seiner Familie von Syrien über die Türkei und Griechenland bis nach Makedonien kam, zu albinfo.ch.

Die Bevölkerung von Kumanova zeigt sich solidarisch

Laut Qemaledin Saiti, Mitglied des Moscheerats von Kumanova, kommen täglich zwischen 200 bis 500 Emigranten an. “Es sind sehr viele, und wir befürchten, es werden in den kommenden Tagen noch viel mehr werden. Alle werden hier beherbergt und wir bemühen uns, sie nach unseren Möglichkeiten mit Allem zu versorgen. Doch wir danken auch all jenen, die uns unterstützen”, betont Qemaledin.

Die Lehrerin Emine Kurtishi ist eine herausragende Humanistin. Sie wohnt gegenüber der Moschee der Stadt und erklärt, dass sie mit ihrer Tochter schon seit dem Winter alles für die Emigranten gibt. “Schon im Winter sahen wir, dass in der Moschee Emigranten beherbergt wurden. Wir erschraken, als wir in der Kälte frierende Kinder sahen, Frauen, die Hilfe suchten und erschöpft waren. Mit meiner Tochter begann ich, Suppen und warme Milch zuzubereiten. Dies taten wir Tag und Nacht, im Versteckten, aus Menschlichkeit, und andererseits fürchteten wir, die Polizei würde uns bemerken, denn Hilfe oder Unterstützung für die Flüchtlinge war verboten”, erzählt Emine albinfo.ch.

Sie schildert, wie in den letzten Tagen die Zahl der Emigranten zunahm und wie sie selbst zu einer humanitären Betreuerin wurde, die täglich vor der Moschee hilft und Notwendiges verteilt. “Meine Tochter und ich sind hier jeden Tag und helfen. Jetzt erhalten wir genügend Hilfsgüter und wir können den Flüchtlingen ohne Probleme helfen, vor allem den Frauen und Kindern”, erzählt Emine.

Doch gleich den beiden hat es noch weitere Freiwillige, die einen Beitrag leisten. Ziska ist eine makedonische Malerin, die sich ebenfalls in der Moschee aufhält und den Emigrantinnen hilft. “Ich bin schon ein paar Tage hier und versuche meinen Teil beizutragen. Ich verteile Hilfsgüter, doch wenn nötig pflege und verbinde ich auch Wunden”, sagt Ziska.

In der Moschee befinden sich auch Aktivisten verschiedener religiöser humanitärer Organisationen, aber ebenso das Rote Kreuz Makedoniens, dessen Aktivisten vor allem medizinische Hilfe leisten. Auch freiwillige Ärzte aus anderen Städten kamen zum Helfen in die Moschee.

„Die meisten Emigrantinnen und Emigranten haben wegen der hunderte von Kilometer langen Fussmärsche schlimme Wunden an Beinen und Füssen. Sie werden hier in der Moschee mehrere Tage lang hingebettet und medizinisch behandelt, um danach weiter in Richtung ihres geplanten Reiseziels zu gehen. Es ist verwunderlich, dass sie nicht ins Spital gehen wollen und darauf bestehen, nur in der Moschee zu bleiben, da sie sich sicherer fühlen“, berichtet Suada, eine freiwillige Pflegerin.

Fussmärsche, Kummer und Bedrückung

Alua ist ein Syrer, von Beruf Physiklehrer, der erzählt, er habe während seiner Reise, die sich über tausende Kilometer erstreckte, ein Golgatha von Not und Kummer erlebt.

Die Route der meisten Emigranten geht von Syrien in die Türkei, danach über Meer- und Landwege nach Griechenland, um schlussendlich in Makedonien zu enden.

„Wir flohen, um uns vor dem Tod zu retten. Wir machten uns vor einigen Monaten in Syrien auf den Weg, und erreichten unter grossen Schwierigkeiten die Türkei. Wir litten sehr auf dieser kummervollen Reise, bei der wir erst nach Griechenland und nun nach Makedonien gelangten. Hier in Kumanova ist es für uns wie im Paradies. Wir fühlen uns frei“, sagt Alua K., der Englisch spricht, jedoch aus persönlichen und aus Sicherheitsgründen nicht fotografiert und gefilmt werden möchte.

Er sagt zu albinfo.ch, ein Teil seiner Familie sei in Syrien zurückgeblieben und es könnte für sie möglicherweise Folgen haben, wenn sein Bild in den Medien erscheinen würde. Alua berichtet, dass die Leute seines Volkes tagtäglich aus Syrien fliehen und jeden Tag Hunderte unter den unbarmherzigen Umständen der Flucht sterben. „Wir zahlten je 1000 Euro, um mit dem Schiff von der Türkei nach Griechenland zu reisen. Das Schiff war für zwanzig Personen, doch es wurde mit fünfzig überfüllt. Dort mitten auf dem Meer sahen wir dem Tod ins Angesicht. Es gab Tote: Menschen, die den Wellen und der Hoffnungslosigkeit auf hoher See nicht standhielten. Ich weiss nicht was ich sagen soll, ich bin sehr erschüttert“, erzählt Alua.

Housamm Kanaboe ist ein Emigrant aus Somalia. Zusammen mit seiner Frau und den Kindern hat er Aufnahme in der Moschee von Kumanovo gefunden.

« Wir litten viel und sahen uns dem Tod gegenüber. Bis wir hier ankamen, starben unterwegs mehr als zwanzig Freunde und Verwandte. Wir begruben sie, wo wir konnten, es blieb uns nichts anders übrig. Wir wurden Opfer von Schmugglern und verschiedenen Gruppen, die uns ausraubten, uns das Geld wegnahmen und uns ohne Essen und Trinken zurückliessen. Zusammen mit unseren Freunden waren wir drei Tage lang ohne Brot und Wasser unterwegs und was soll ich nur sagen, unser Leben ist sehr schwer“, betont Houssam.

Auf die Frage, wohin sie von Kumanova aus weiter gehen wollten, sagen die meisten, sie wollten nach Deutschland gehen, aber auch nach Frankreich und Belgien, wo sie Verwandte hätten. Sie sagen, bis jetzt je zwei- bis dreitausend Euro für Reise und Beherbergung ausgegeben zu haben, aber auch Geld verloren zu haben, weil sie von Gruppen von Menschenhändlern in den Grenzgebieten ausgeraubt worden seien.

Sie berichten auch von einem solchen Fall auf dem Gebiet Makedoniens. Ein afghanischer Mann mittleren Alters erzählt, wie er mit einer Gruppe von zwanzig Personen Opfer einer Gruppe von Personen wurde, die Polizei- oder Militäruniformen trugen.

«In einer gebirgigen Gegend hielten sie uns an, kaum hatten wir die griechische Grenze überquert, und verlangten nach dem Geld, das wir bei uns hatten. Wir weigerten uns, denn wir sahen, dass es Menschenhändler waren. Doch ungefähr zwei von ihnen trugen Polizei- oder Militärkleidung. Ich kann nicht sagen, ob sie Beamte waren oder nicht. Doch wir zeigten den Vorfall auf einer Polizeistation an, denn sie hatten uns unser Geld gestohlen“, sagt der afghanische Emigrant.

Die Regierung änderte das Gesetz, die Polizei verhindert den Menschenschmuggel

Um den grossen Zustrom von Emigranten zu stoppen und deren illegale Weiterreise zu verhindern, hiess die Regierung Makedoniens diese Woche das neue Ausländer- und Asylgesetz gut. Mit den neuen Gesetzesänderungen werden für die Emigranten ein 72-stündiger legaler Aufenthalt auf makedonischem Gebiet und ihre anschliessende legale Wegweisung ermöglicht. Weiter ermöglicht ihnen das Gesetz, in Makedonien ein Asylgesuch zu stellen.

Doch die meisten Emigranten wollen nicht in Makedonien bleiben. Hunderte im Asylzentrum in Gazi Baba bei Skopje/ Shkup untergebrachte Flüchtlinge protestierten und sind im Hungerstreik wegen der schlechten Bedingungen, in welchen sie leben müssen, und fordern, freigelassen zu werden, um Makedonien zu verlassen. Ein Teil von ihnen kam aufgrund der Gesetzesänderung frei und wurde in Richtung der serbischen Grenze fortgebracht.

Auf der anderen Seite unternahmen die Polizeibehörden in jüngster Zeit Aktionen, um die Aktivitäten der Schmugglerbanden, die illegal Emigranten schmuggeln, zu unterbinden. In einigen Quartieren Kumanovos wurden gestern mehrere Personen verhaftet, die des illegalen Transports von Emigranten verdächtigt werden. Das Ministerium für Innere Angelegenheiten sagt, es gehe um eine organisierte Gruppe, die gegen Geld illegale Emigranten transportierte und unterbrachte, und dabei pro Person zwischen 100 bis 500 Euro nahm. Eine Woche zuvor waren im nahe gelegenen Dorf Vaksincë rund 130 illegale Emigranten und sechs Dorfbewohner angehalten worden. Letztere werden der Beherbergung von Emigranten beschuldigt und die Polizei machte Strafanzeige. Die Emigranten wurden fort gebracht und ein Teil von ihnen ins Asylzentrum geschickt.

Makedonien bleibt ein Transitzentrum für illegale Emigrantinnen und Emigranten, die täglich ins Land kommen. Ein Teil von ihnen steigt von der Reise zu Fuss aufs Reisen per Velo um. Velos sind im östlichen Teil des Landes schwer aufzutreiben. Bei der Ankunft in Kumanova jedoch oder in der Nähe der serbischen Grenze werden die Fahrräder haufenweise von den Emigranten verkauft. Während ein gebrauchtes Velo in den an Griechenland grenzenden Dörfern von Makedoniern für bis zu 500 Euro verkauft wird, werden die Velos in Kumanova für 10 bis 50 Euro wieder verkauft, da die Emigranten an der richtigen Destination angekommen sind, um anschliessend zu Fuss nach Serbien zu gehen. Solche Szenen wiederholen sich tagtäglich, doch die Zahl der Flüchtlinge nimmt ständig zu.