Integration

Albanischsprachige Bevölkerung nicht nur als Wahlpotential betrachten

Albanische Gewerkschafter sagen: "Die anderen sehen unsere Bevölkerungsgruppe als Wahlpotential, wir hingegen wollen in ihnen nicht nur Stimmen sehen ... "

 

Die Gruppe albanischer Gewerkschafter “Aktivistët” (die Aktivisten), die im Rahmen der Gewerkschaft Unia der Region Zürich aktiv ist, hat eine ehrgeizige Initiative gestartet: eine politische Aufwertung der albanischen Diaspora der Schweiz. Anlässlich eines Podiumsgespräch

vergangenen Samstag trat die Initiative erstmals in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Die Zusammensetzung des Publikums wie auch die Auswahl der Podiumsteilnehmerinnen versprachen eine fruchtbare Diskussion.

Lurata Reçi, ehemalige Gemeinderätin und Aktivistin der Sozialdemokratischen Partei, Blerim Bunjaku, Kantons- und Nationalratskandidat der EVP  im kommenden Jahr, Qëndresa Sadriu, SP-Gemeinderätin in Glattbrugg und Përparim Avdyli, Kantonsratskandidat der FDP, erläuterten ihre Visionen für ein politisches Engagement junger Menschen mit Migrationshintergrund in der Schweiz.

Bei der Erörterung des Diskussionsthemas mit dem Titel “Möglichkeiten und Grenzen politischer und gesellschaftlicher Partizipation in der Schweiz und im Herkunftsland” brachten sie ihre Erfahrungen aus dem konkreten politischen Engagement im politischen System der Schweiz ein. Im zweiten Teil des Anlasses leiteten vier junge Politiker je eine Arbeitsgruppe, mit welcher sie das Diskussionsthema unter verschiedenen Aspekten bearbeiteten. Anschliessend präsentierten sie den Anwesenden Zusammenfassungen der Ergebnisse der Arbeitsgruppen.

An der Diskussion beteiligten sich auch der Konsul der Republik Kosova in Zürich, Sali Sefa, die Vertreterin der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen (EKM), Pascale Steiner, sowie der Vertreter der Gewerkschaft Unia für die Region Zürich-Schaffhausen, Remo Schädler. Als Gastgeber begann Remo Schädler mit einer Präsentation der Unia, insbesondere der Sektion Zürich-Schaffhausen. Laut Schädler findet eine Verhärtung des Klimas für die ausländische Bevölkerung in der Schweiz statt. “Seit dreissig Jahren werden offen rassistische Vorfälle in der Öffentlichkeit immer mehr akzeptiert”, sagte er. Auch die Abstimmung über die am 30. November stattfindende “Ecopop”-Initiative bezeichnete er als Fortführung dieses Trends.

Osman Osmani, Sekretär für den Bereich Migration bei der Gewerkschaft Unia in Bern, unterstützt und fördert die Initiative der Gruppe “Aktivistët” aktiv. Wie er gegenüber albinfo.ch sagt, besteht  das Hauptziel der Initiative in einer politischen Aufwertung  der albanischsprachigen Bevölkerung in der Schweiz. “Die anderen sehen unsere Bevölkerungsgruppe als Wahlpotential, wir hingegen wollen in ihnen nicht nur Stimmen sehen, sondern wir haben auch die Erfüllung unserer Interessen als Gemeinschaft zum Ziel”, sagte Osmani und hob hervor, dass die verschiedenen Parteizugehörigkeiten keinerlei Hindernis darstellten. Eine Aufwertung in diesem Gebiet kann auch auf Entwicklungen in den Herkunftsländern positiv einwirken, meint er.

Pascale Steiner von der EKM stellte zu Beginn die von ihr vertretene Kommission vor, um danach das Konzept der Citoyenneté, wie die Bezeichnung eines seit mehreren Jahren von der EKM geleiteten Programmes lautet, zu erläutern. Der aus dem Französischen stammende Begriff Citoyenneté lässt sich am ehesten mit “aktive Staatsbürgerschaft” wiedergeben. Diese umfasst nicht nur das politische Engagement der Staatsbürgerinnen und Bürger, sondern auch dessen Verkörperung in gesellschaftlichen Aktivitäten in allen Bereichen. Freiwilligenarbeit, der Einsatz bei der Feuerwehr, aktive Tätigkeit in Quartiervereinen etc. gehören zum erwähnten Konzept. In dieser Hinsicht, betonte Pascale Steiner, bestehe bei der ausländischen Bevölkerung ein Mangel an Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten. So konnte sie feststellen, dass in den französischsprachigen Kantonen, in welchen die ausländische Bevölkerung meist das aktive und passive Stimm- und Wahlrecht hat, dieses Recht lediglich rund 25 Prozent auch wirklich nutzen, was der Hälfte der Beteiligung der Stimmbevölkerung mit Schweizer Staatsangehörigkeit entspricht.

Der kosovarische Konsul in Zürich, Sali Sefa, sprach zuerst über die Aktivitäten der albanischen Vereine in der Region, für welche sein Konsulat zuständig ist, und erhob dann die Frage nach der politischen Organisation der albanischsprachigen Bevölkerung in der Schweiz. In diesem Zusammenhang machte er einen interessanten Vorschlag. “In der Schweiz gibt es rund 65’000 Albanerinnen und Albaner schweizerischer Staatsangehörigkeit, von welchen rund 40’000 stimmberechtigt sind. Einer Anzahl von ihnen gelang es, in kommunale und kantonale Parlamente zu kommen, jedoch nicht weiter. Deshalb mache ich den Vorschlag, es solle eine albanische Partei gebildet werden, die nicht mit den Parteien des Herkunftslandes verbunden ist, sondern innerhalb des schweizerischen Systems aktiv ist.” Auf diese Weise könnten die Albaner nach Ansicht des Konsuls viel bessere Resultate als heute erreichen. “So könnte eine Albanerin ins Eidgenössische Parlament kommen. Es ist Zeit, dass die Albaner in der Schweiz auch politisch in Erscheinung treten.”
 
Für eine koordinierende Struktur
“Der nächste Schritt der Initiative wird sein, dass politisch in den verschiedenen Parteien engagierte Aktivisten zusammen mit anderen Interessierten, einheimischen Albanischsprachigen, wie auch mit der Unterstützung der hiesigen Institutionen und jener der Herkunftsländer, eine gemeinsame Struktur für eine Koordination bilden, um den Prozess voran zu bringen”, sagte Osman Osmani. Doch in welchem Mass kann eine linke Organisation, wie es eine Arbeitergewerkschaft ist, eine Struktur akzeptieren, an welcher auch Vertreter rechter Parteien beteiligt sind? Für Osmani stellt dies kein Problem dar, denn gemäss ihm ist das Linkstum der Gewerkschaften mehr ein Vorurteil denn die volle Wahrheit.

Blerim Shabani