Integration

Barbara Burri: Wie wurde ich eine „Braut Kosovas“

Sie sagt, die Albaner seien Fremden gegenüber sehr freundliche und offene Menschen, und ihre eigene Integration in Kosova sei viel leichter gewesen als jene ihres Mannes in der Schweiz

 


Barbara Burri-Sharani ist seit zweiundzwanzig Jahren eine „nuse e Kosovës“, also eine Braut Kosovas. 1993 heiratete sie Genc Sharani, und zusammen haben sie eine Tochter namens Jona (auf Deutsch bedeutet Jona „die Unsere“). Seit der Heirat führt Barbara den Doppelnamen Burri Sharani. Die kosovarische Braut ist eine gute Kennerin der albanischen Kultur, Traditionen und Werte. Im Interview für albinfo.ch erzählt die Psychologin von ihrem Leben zwischen zwei Kulturen und ihrer Integration in Kosova. Sie sagt, die Albaner seien Fremden gegenüber sehr freundliche und offene Menschen, und ihre eigene Integration in Kosova sei viel leichter gewesen als jene ihres Mannes in der Schweiz.

Frau Burri, Sie sind mit einem Albaner verheiratet. Können Sie uns etwas über den Anfang Ihrer Beziehung erzählen, wie lernten Sie sich kennen?

Ich habe meinen Mann 1991 getroffen, als er als Asylbewerber in die Schweiz gekommen ist und ich in einem Durchgangszentrum für Asylsuchende gearbeitet habe. Wir haben uns dort kennen gelernt und uns sympathisch gefunden. Für mich war gut, dass ich ihn im Heimalltag beobachten konnte und mir so einen guten Eindruckvon ihm verschaffen konnte. Nachdem Genc dann aus dem Heim ausgezogen war, sind wir dann zusammengekommen. Bereits nach einem halben Jahr sind wir zusammengezogen und nach 13 Monaten waren wir verheiratet.

Was dachten Sie, als Sie damals erfuhren, dass Genc, Ihr Ehemann, Albaner ist?

Durch meine Arbeit war ich gewohnt, den Menschen als Individuum zu sehen und nicht nur als Kollektivmitglied einer ethnischen Gruppe. Und mir hat dieser Mensch gefallen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kosovo-Albaner übrigens noch nicht den negativen Ruf, der ihnen bis heute etwas anhaftet. Sie waren damals erst neu als ethnische Gruppe aufgetreten. Zuvor kannte man in der Schweiz nur die Jugoslawen.

Später wusste dann auch Ihre Familie Bescheid. Hatten Ihre Eltern oder sonst jemand aus Ihrem Umfeld, Ihrem Freundeskreis etwas gegen diese Verbindung?

Meine Familie war von jeher sehr interessiert an anderen Kulturen. Ich bin mit dem Bild aufgewachsen, dass das “Exotische” nichts bedrohliches sondern etwas interessantes ist. Deshalb ist Genc gut in meiner Fanilie aufgenommen worden. In meiner sonstigen Umgebung gab allerdings Vorurteile, weil er Muslim ist. Ich wurde gefragt, ob ich nun das Studium aufgeben oder ein Kopftuch tragen müssen. Das hat mich sehr geärgert, weil ich mich immer als sehr eigenständig und emanzipiert verstanden habe und das nun wegen meiner Heirat mit Genc in Frage gestellt wurde.

Ihre Beziehung funktionierte und Sie beschlossen zu heiraten. Wie lange waren Sie als unverheiratetes Paar zusammen gewesen?

Wir haben etwa 13 Monate nachdem wir zusammenkamen bereits geheiratet. Wir haben uns davon erhofft, dass sich Gencis Status in der Schweiz damit verbessert und unsere Beziehung so eine grössere Chance hat. Das war dann tatsächlich auch so. Aber heute fragen wir uns manchmal lachend, ob der andere gedacht hätte, dass unsere Ehe 22 Jahre übersteht. Wenn wir ehrlich sind, sind wir beide sehr positiv überascht darüber, dass das so ist.

Wo fanden die Trauung und die Hochzeitszeremonie statt und was für eine Erinnerung haben Sie an jenen Tag?

Wir haben im Januar 1993 im Stadthaus von Zürich geheiratet. Es waren nur ein paar enge Verwandte von mir und unsere TrauzeugInnen dabei. Leider niemand von Gencis Familie. Nach der Zeremonie haben uns meine Studienkolleginnen überrascht und mit Reis beworfen. Am nächsten Abend haben wir eine Party organisiert mit 70 Personen aus 13 verschiedenen Nationen. Unsere Freunde haben für uns Chili con Carne gekocht. Es gab abwechslungsweise albanische und Rock-Musik. Es war eine Superparty. Da wir im Kosovo kein „Dasma“ machen konnten, überlegen wir uns zu unsere 25. Hochzeitstag, der „kismet prej zotit“ in 3 Jahren ist, in Prizren eine grosse Party zu machen.

Bestimmt waren Sie auch bei Gencis Familie zu Besuch. Versuchten Sie da als Braut des Hauses, als kosovarische Braut, sich an die albanischen Traditionen zu halten? Und wie wurden Sie von Gencis Familie aufgenommen?

Ich war wegen der politischen Situation erst 1999 das erste Mal in Kosova und war sofort begeistert von Land und Leuten. So sehr, dass ich mir eine Arbeit bei einem Schweizer Hilfswerk gesucht habe und Genc überredet habe, für ein Jahr nach Kosova zu ziehen. Von Gencis Familie wurde ich sehr gut aufgenommen. Aus einem Jahr wurden 7 ½ und zurückgekehrt sind wir dann 2007 zu dritt, denn in dieser Zeit wurde auch unsere Tochter Jona geboren.

Auch Sie mussten sich ins kosovarische Leben integrieren. War das schwierig?

In diesen Jahren habe ich natürlich die Kultur und die Sprachen Kosovas kennen und schätzen gelernt. Auch viele Traditionen sind mir aus dieser Zeit bekannt. Einige habe ich mitgemacht, andere nicht. Seit damals verstehe ich das Konzept einer gelungen Integration, das was wir ja hier in der Schweiz von AusländerInnen erwarten: Die Gepflogenheiten, Kultur und Gesetze des Aufnahmelandes zu respektieren, aber die eigene Identität/Herkunft nicht zu verleugnen. So ich bin in dieser Zeit eine schweizerische Kosovarin gewesen. Ich muss allerdings betonen, dass die Integration in Kosova für mich viel einfacher war als für meinen Mann in der Schweiz und das hängt vor allem damit zusammen, dass mich die Menschen in Kosova viel herzlicher aufgenommen haben als die SchweizerInnen meinen Mann. Meine Reintegration in die Schweiz fiel mir übrigens viel schwerer als meine Integration in Kosova. Seither kann ich etwas nachempfinden, wie schwierig es für AusländerInnen ist, sich in der Schweiz heimisch zu fühlen. Mittlerweile lebe ich aber wieder sehr gerne hier.

Sie haben Ihren Nachnamen geändert und jenen Ihres Mannes angenommen, Sharani. Taten Sie das, um die albanische Tradition zu achten?

Ich trage den Doppelnamen Burri Sharani. Interessanterweise klingt ja meine typisch schweizerischer Familienname Burri albanischer als Sharani, der Nachname meines Mannes. Mir gefällt mein Doppelnamen, da er beide Kulturen verbindet.

Was gefällt Ihnen am besten in der albanischen Kultur und Tradition und was nicht?

Mir gefällt an der albanischen Kultur der grosse Familienzusammenhalt und, wie ich vorhin schon gesagt habe, die Offenheit gegenüber Fremden. Dies äussert sich auch in der enormen Gastfreundschaft. Ich kenne keine besseren Gastgeber als die AlbanerInnen.

Womit ich als emanzipierte Frau manchmal meine Mühe hatte, war/ist die gesellschaftliche Stellung der Frau. Ich sehe aber auch hier den Umbruchprozess und dass sich die Situation der Frauen langsam verbessert.

Sie haben auch ein Kind. Nach welchem Elternteil orientiert sich Ihr Kind mehr? 

Unsere Tochter Jona hat einen sehr grossen Gerechtigkeitssinn und so ist sie immer bemüht, Genc und mir zu zeigen, dass sie uns gleich gern hat. In Kosova stellt man den Kindern ja gerne die Frage: Wen liebst Du mehr? Mami oder Papi? (das ist übrigens eine Frage, die ich gar nicht mag). Jona antwortet immmer: “Beide gleich”. Dies ist sicher auch so, weil sich mein Mann vor allem als sie kleiner war, sich auch tageweise um die gekümmert hat, als ich arbeiten musste.

Was denken Sie über die Integration der Albaner in der Schweiz, was würden Sie ihnen empfehlen?

Die albanische Gemeinschaft in der Schweiz ist seit der Befreiung Kosovas in einem grossen Umbruch. Seit die Situation im Heimatland geklärt ist, können sich die AlbanerInnen hier mehr auf das Leben in der Schweiz konzentrieren und das ist sehr spürbar. Zudem gibt es ja mittlerweile eine dritte und bald vierte Generation hier, die gerade durch Bildungserfolg viel zu einem positiveren Bild dieser Gemeinschaft hier beitragen. Ich behaupte, dass sich das negative Image der Albaner in ein paar Jahren in Luft auflösen wird.

Meine schweizerische Name „Burri“, albanischer als „Sharani“

Ich trage den Doppelnamen Burri Sharani. Interessanterweise klingt ja meine typisch schweizerischer Familienname Burri albanischer als Sharani, der Nachname meines Mannes. Mir gefällt mein Doppelnamen, da er beide Kulturen verbindet.