CH-Balkan

Murati: Unser Zugang auf die Diaspora muss sich ändern

Der Minister für Diasporafragen, Valon Murati, beurteilt im Interview für albinfo.ch die kosovarische Diaspora als wichtigste Stütze für die Entwicklung des Landes. Er sagte, der institutionelle Zugang zu den emigrierten Landsleuten müsse sich substanziell ändern

Der neue Diasporaminister Valon Murati verspricht, die Annäherung zwischen der Diaspora und ihrem Herkunftsland möglichst stark zu fördern, nicht nur emotional, sondern auch institutionell. Im Gespräch mit Albinfo.ch sagt Murati, Kosova habe nicht genug für seine Emigranten getan. Die Zollgebühren, die die Kosovaren bei der Einreise in ihre Heimat zahlen müssen, beurteilt er als ungerecht. Er sagte, er werde sich für die Aufhebung der Gebühren einsetzen, und hält die Forderung der Emigranten nach eigenen Abgeordneten im kosovarischen Parlament für vernünftig.

Albinfo.Ch:  Herr Minister, Kosova hat eine sehr grosse Diaspora, verglichen mit der Bevölkerung im Land selbst. Ist es Kosova, nach fünfzehn Jahren, gelungen, unzertrennliche institutionelle Beziehungen mit seiner Diaspora zu schaffen?

Murati: Betrachten wir die emotionale Ebene, so sind diese Bindungen weiterhin stark und die Diaspora wird als unablöslicher Teil der Entwicklungen in Kosovo empfunden. Auf institutioneller Ebene sind wir als Land in einer Phase, wo wir Mechanismen schaffen, damit diese Beziehungen effizient, korrekt und für beide Seiten nützlich sind.

Albinfo.Ch: Ihr Vorgänger, der frühere Minister Makolli, bemühte sich, die Brücken der Zusammenarbeit mit der Diaspora zu stärken. Welches sind Ihre Ziele?

Murati: Wir werden viele der im vorigen Mandat begonnenen Aufgaben weiterführen. Insbesondere werden wir auch versuchen, gemeinsam mit der Republik Albanien auf eine Institutionalisierung des albanischen Unterrichts in der Diaspora hin zu arbeiten; wir werden uns einsetzen, das wissenschaftliche, bildungsmässige, kulturelle und geschäftliche Potenzial unserer Landsleute zu erfassen, damit letztere der Diaspora und uns in Kosovo ein Vorbild sind, doch gleichzeitig auch eine Verbindungsbrücke bilden zwischen der  Diaspora und Kosova und zwischen dem Land, wo sie leben, und Kosova.

Albinfo.Ch: Die Diaspora wurde bis jetzt bei vielen Prozessen übergangen, auch bei der Teilhabe im Parlament mit eigenen Vertreterinnen und Vertretern. Werden Sie sich dafür  einsetzen, dass auch die kosovarische Diaspora ihre eigenen Abgeordneten im Parlament Kosovos haben wird?

Murati: Das wäre tatsächlich eine richtige Lösung, die sowohl die Diaspora verlangt, aber auch in zahlreichen Dokumenten der kosovarischen Behörden behandelt wird. Persönlich bin ich für diese Idee. Doch die Schwierigkeit dabei besteht auf jeden Fall darin, dass dafür eine Änderung der kosovarischen Verfassung nötig wäre. Und die Änderung unserer Verfassung ist ein politisch und juristisch heikler Prozess, denn es braucht dazu auch die Stimmen von zwei Dritteln der Abgeordneten der Minderheiten in Kosovo. Mit dem Einzug der Lista Srpske (Serbische Liste) ins Parlament wurde das Verfahren für Verfassungsänderungen noch komplizierter. Nicht nur in dieser Sache, sondern auch in anderen politischen Prozessen könnte Kosovo eine Geisel dieser Verfassungsregel  bleiben.

Albinfo.Ch: Seit Ende des Krieges zahlen die Emigranten Grenzgebühren für die Einreise ins Land ihrer Herkunft. Ist das gerecht und was muss getan werden, damit die Gebühren aufgehoben werden?

Murati: Wie Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, ist die Lösung dieser Probleme nicht in der auschliesslichen Kompetenz des Diasporaministeriums. Trotzdem teilen auch wir die Sorgen unserer Landsleute und sind uns bewusst, dass sie bei Sorgen in ihrem Vaterland als erstes an unsere Türe klopfen. In dieser Funktion bemühen wir uns, alle administrativen Probleme, auf die unsere Landsleute bei der Ankunft und dem Aufenthalt in Kosova stossen, zu erfassen, inklusive der Zahlungen an der Grenze, und anschliessend werden wir diese Porbleme mit den Behörden und den anderen Ministerien behandeln.

Albinfo.Ch: Unsere Emigrantinnen und Emigranten leisten jedes Jahr einen Beitrag von rund 600 Mio Euro Rücküberweisungen. Angesichts dieser hohen Summe gilt die Diaspora als Stabilisator der Innenpolitik. Weshalb sollte die Diaspora nur gut genug sein, um die Vorratsspeicher aufzufüllen, während sie in den anderen Bereichen vom Staat diskriminiert wird, so auch in den Bereichen Investitionen und Privatisierung?

Murati: Der Zugang zu unserer Diaspora muss wesentlich verändert werden. Bis jetzt war die Diaspora eine der Hauptstützen für unser politisches wie wirtschaftliches Überleben. Ihre Rolle im Befreiungskampf, bei der  Unabhängigkeit des albanischen Staates und später der Republik Kosova ist ausserordentlich. Diese politischen Anstrengungen waren begleitet von der wirtschaftlichen Hilfe, die die Diaspora gab. In Tat und Wahrheit ist es auch heute noch so, dass wir dank der Rimessen der Diaspora überleben, der Diaspora,die auch hilft, das grosse Handelsdefizit Kosovos zu mildern. Es ist Zeit, dass wir in Kosova uns dafür einsetzen, diesen Willen der Diaspora, ihrem Land und ihren Familien zu helfen, in eine nachhaltige Investition in die kosovarische Wirtschaft  zu transformieren, in eine Investition, die für beide Seiten von Vorteil sein wird.

Albinfo.Ch: Gibt es nachhaltige Stabilität in Kosovo, so dass die Diaspora hier investieren könnte?

Murati: Die langandauernde politische Pattsituation letztes Jahr schuf eine unvorteilhafte wirtschfatliche Lage. Doch glaube ich, dass mit der Schaffung von Behörden allmählich Voraussetzungen für ein besseres Klima für Investitionen aus der Diaspora entstehen werden.

Albinfo.Ch: Was werden Sie tun, um die emigrierten Landsleute zu stimulieren, in Kosovo und nicht anderswo zu investieren?

Murati: Ich werde mein Möglichstes geben, damit alle Regierungsabteilungen den Ernst der Notwendigkeit begreifen, mit welcher unsere Diaspora eine bedeutende Stütze der  Entwicklung des Landes sein muss. Und dass es uns gestützt auf diese Notwendigkeit und die Ziele des Regierungsprogrammes gelingen muss, für unsere Investoren aus der Diaspora ein günstiges Wirtschaftspaket zu schnüren. Diesbezüglich glaube ich, bedeutet die Stärkung  bestehender und die Bildung neuer Businessnetzwerke – ein Prozess, in dem das Diasporaministerium eine wichtige Rolle spielt – gleichfalls eine gute Brücke für alle unsere Unternehmer, die in Kosovo investieren wollen.

Albinfo.Ch: Was sagen Sie zur jüngsten starken Auswanderung von Kosovaren in die EU?

Murati: Illegales Ausreisen aus Kosova ist nicht die richtige Lösung. Die Gefahr und die Verluste sind grösser als die Erfolgswahrscheinlichkeit. Ich denke, dass Kosova ein Land ist, in welchem ein Leben möglich ist, deshalb müssen wir alle zusammen, und am meisten die Regierung, daran arbeiten, dass Optimismus, Hoffnung und Perspektive in dieses Land zurückkehren.