Integration

Neue Strategien braucht das Land

Armut und Arbeitslosigkeit im Kosovo können nur mit einer Diversifizierung der Wirtschaft wirksam bekämpft werden.

 

 

Bashkim Iseni, Geschäftsleiter von Albinfo.ch*

 

Der Kosovo ist ein junger Staat. Seit fünf Jahren bemüht er sich mehr oder weniger erfolgreich um Stabilisie­rung und um den Aufbau politischer, administrativer und juristischer Institutionen. Gleichzeitig ist das Land bestrebt, seine innere und äussere Souveränität wahrzunehmen.

 

Extreme Armut und hohe Arbeitslosigkeit

In diesen fünf Jahren wurde die Strasseninfrastruktur ausgebaut, ehemali­ge sozialistische Unternehmen wurden privatisiert, und überall sind neue Gebäude und Einkaufszen­tren entstanden. Gleichzeitig scheint den EntscheidungsträgerInnen aber eine klare Strategie zu fehlen, um die herrschende Armut und strukturelle Arbeitslosigkeit effizient zu bekämpfen. Offiziellen Angaben zufolge leben 29,7 Prozent der Bevölke­rung in Armut und verfügen über nur gerade 1.72 Euro pro Tag. 10,2 Prozent Menschen im Koso­vo müssen ihren Alltag gar unter extremen Armutsbedingungen – mit weniger als einem Euro pro Tag – bewältigen. Rund 45 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung sind arbeitslos.

Es drängt sich also die Frage auf, wie das dringliche Problem der Schaffung von Arbeitsplätzen angegangen werden kann. Ausländische InvestorInnen strömen nicht in Scharen in den Kosovo. Die Tatsache, dass kaum ausländisches Kapital ins Land fliesst, lässt sich durch verschiedene Fak­toren erklären. Dazu gehören die politische Lage im Norden des Landes und der nach wie vor ungewisse Status des Kosovo ebenso wie die geringe Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität eines Landes, das unter Korruption, undurchschaubarem Marktzugang, Problemen mit der Energieversorgung und der Abwesenheit klarer Garantien für ausländische InvestorInnen leidet.

Potenzial Landwirtschaft und Tourismus

Die bisherigen Massnahmen zur Ankurbelung der sozio-ökonomischen Entwicklung des Landes müssen korrigiert werden. Parallel zu den laufenden Bemühungen zur Förderung von Grossinvestitionen muss die kosovarische Führung neue Strategien verfolgen und Mittel für alternative Entwicklungswege zur Verfügung stellen, die mittel- oder sogar kurzfristig zu greifbaren Ergebnissen führen können. Konkret muss ein Arbeitsmarkt geschaffen und das Bildungswesen den tatsächlichen Bedürfnissen der Wirtschaft angepasst werden. Ausserdem werden die meisten Nahrungsmittel importiert, obwohl der ländlich geprägte Staat über eine grosse Zahl landwirtschaftlicher Familienbetriebe verfügt. In der kleinbäuerlichen Landwirtschaft könnten Arbeitsplätze geschaffen werden, denn in den umliegenden Ländern und in westlichen Staaten, in denen zahlreiche Exil-KosovarInnen leben, gibt es einen grossen potenziellen Absatzmarkt. Bis anhin sind im Aus­land kaum Produkte aus dem Kosovo erhältlich und das Angebot an typischen Nahrungsmitteln, für die es eine Nachfrage der kosovarischen Diaspora gibt, kommt mehrheitlich aus anderen Balkanländern. Auch die touristischen Möglichkeiten sind keineswegs ausgeschöpft, da weder der Staat noch die Gemeinden Werbung für die Naturschönheiten betreiben, die der Kosovo in Hülle und Fülle zu bieten hat. Auch dieser Sektor kann zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit beitragen.

Die schweizerische Erfahrung in diesem Bereich kann die Umsetzung solcher Visionen für die Diversifizierung der Wirtschaft unterstützen. Die KosovarInnen der Diaspora sollten in diesen Prozess einbezogen werden, weil sie massgeblich zum Aufbau einer nachhalti­gen Entwicklung in diesem jungen Staat beitragen können.

 

((Quote)) Es braucht Mittel für alternative Entwicklungswege

 

Text zuerst erschienen in Solidarität 3/2013, dem Mitgliedermagazin von Solidar Suisse. Das Hilfswerk unterstützt mehrere Projekte im Kosovo. Mehr Informationen:www.solidar.ch

 



*News- und Informationsplattform der albanischsprachigen Schweiz, die über Entwicklungen in Kosovo, Albanien und anderen Balkanländern mit albanischsprachiger Minderheit sowie in der Schweiz berichtet.