Sprachen

Wird der ergänzende Unterricht in den Muttersprachen in die öffentliche Schule integriert?

Erstmals setzten sich Behörden und Vertreter der Vereine zusammen, um koordiniert die aktuelle Situation und Problematik zu diskutieren

Am Samstag, den 18. Januar 2014, fand in Bern die erste Konferenz zur Förderung der Muttersprachen der Kinder von Migranten in der Schweiz unter dem Titel “Die Zukunft der Erstsprachen in der Schweiz” statt. Ziel war ein Meinungs- und Erfahrungsaustausch, an welchem anerkannte Autoritäten aus dem Bildungsbereich und Vertreterinnen der wichtigsten Vereine der ausländischen Bevölkerungsgruppen in der Schweiz teilnahmen.

Der Albanische Lehrer- und Elternverband Naim Frashëri (LAPSH/ ALEV) wurde vom Präsidenten Nexhat Maloku, Lehrer in Zürich, vertreten.

Die Versammlung wurde von der Interessengemeinschaft Erstsprachen in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften VPOD und UNIA, den Interkulturellen Bibliotheken der Schweiz und dem Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM) organisiert. Es nahmen 200 Personen teil, viele von ihnen Lehrerinnen und Lehrer des ergänzenden Unterrichts.

In der von der Interessengruppe Erstsprachen präsentierten Einführung wurde die Unterstützung der Muttersprache als Beitrag zum sprachlichen und wirtschaftlichen Reichtum der Schweiz gewertet. In erster Linie wurde ein Aufruf an die Organisatoren des ergänzenden Unterrichts gerichtet, wonach der muttersprachliche Unterricht im Interesse der Kinder und Jugendlichen zu Integration und Identität, jedoch nicht zu Assimilation führe. Auch die einheimischen Behörden wurden angeregt, gegenüber “den andern”, den Menschen mit einer anderssprachigen Herkunft, noch mehr Aufmerksamkeit zu zeigen, dies immer im Rahmen von deren Recht auf Pflege der Muttersprache und der heimatlichen Kultur, als Teil des kulturellen Reichtums dieses Landes. Und sie möchten doch angesichts dieser Tatsachen darauf bestehen, den ergänzenden Unterricht in der Muttersprache in das öffentliche Schulsystem zu integrieren. Laut den Autoren der erwähnten Gruppe sollte die  Muttersprache vom Kindergarten bis zum Abschluss der Mittelschule gefördert werden.

Der Vormittag der Konferenz bot Zeit für mehrere Fachreferate. Ein interessantes Referat hielt die österreichische Forscherin Elfie Fleck zum Thema “Der muttersprachliche Unterricht in Österreich”. Sie berichtete über die Unterstützung und die Finanzierung des ergänzenden Unterrichts in 23 Sprachen nach dem österreichischen Modell. Die Anwesenden verfolgten ihren Vortrag mit grossem Interesse.

Das nächste Referat hielt Rosita Fibbi von der Universität Neuchâtel  über das Thema “Ergebnisse der Untersuchung über die Situation des ergänzenden Unterrichts in der Schweiz”. In dieser Studie, die sie zusammen mit der Forscherin Ruth Calderon durchgeführt hatte, kam sie unter anderem zum Ergebnis, dass in der Schweiz der Unterricht in den Herkunftssprachen zur Zeit über die Botschaften oder verschiedene Vereine organisiert wird. Er findet in fünfzehn Sprachen statt: Albanisch, Italienisch, Spanisch, Arabisch, Chinesisch, Kroatisch, Serbisch, Koreanisch, Finnisch, Kurdisch, Portugiesisch, Russisch, Türkisch, Tamilisch und Ungarisch.

Am Nachmittag gab es zehn Workshops mit verschiedenen Themen, die sich auf den didaktischen Ansatz, die Unterrichtstexte, die Besonderheiten des ergänzenden Unterrichts der verschiedenen Sprachgruppen etc. bezogen.

An einer Podiumsdiskussion zum Ende der Konferenz äusserten die jurassische Bildungsdirektorin Elisabeth Baume-Schneider, Präsidentin der Interkantonalen Konferenz des öffentlichen Erziehungswesens der französischsprachigen Schweiz und des Tessins, weiter Katharina Prelicz-Huber vom VPOD, Vania Alleva von der UNIA, Heidi Mück, Vertreterin der Gruppe BastA im Basler Parlament, und die Türkischlehrerin Selin Öndal ihre Einschätzungen. Wichtig  war, dass sich zum ersten Mal Schweizer Behörden und Vertreter von Vereinen trafen, um koordiniert über die aktuelle Situation und Problematik zu diskutieren. Es ist mehr als notwendig, dass diese Zusammenarbeit weitergeführt und das Engagement in Zukunft noch verstärkt wird.