Religion

“Youtube – Imame” stecken Muslime der Diaspora an

Die Muslime Westeuropas radikalisieren sich eher über "Youtube-Imame", welche sie hören, ohne zu wissen wen sie hören, sagt der Analyst Shpend Kursani.

Die Muslime in Europa, darunter auch einige Albaner in der Diaspora, die sich terroristischen Gruppen im Irak und in Syrien anschlossen, sind hauptsächlich von “Youtube-Imamen” beeinflusst, welche sie hören, ohne zu wissen, wer diese sind. Dies erklärt gegenüber albinfo.ch Shpend Kursani, Analyst und Autor einer Studie zum Thema: “Ursachen und Folgen des Einbezugs von Kosovaren in die Kriege des Mittleren Ostens (Syrien und Irak)”.
In seinem Bericht, der vom Kosovarischen Zentrum für Sicherheitsstudien (QKSS) gefördert wird, heisst es, jene Kosovaren, die im ISIS am Krieg teilnehmen, seien uninformierte und leichtsinnige Menschen, die sich ahnungslos den arabischen Kriegen angeschlossen hätten. Zu den Gründen, die sie dazu gebracht hätten, diesen Weg zu gehen,  gehörten auch ökonomische.
“Die Anhänger der takfiristischen Ideologie sind mehrheitlich vor allem jung, leichtsinnig, unwissend, ohne Erfahrung, und da sie keine religiösen Anweisungen von zuverlässigen religiösen Gelehrten erhalten, lassen sie sich in der Regel von einer dritten Richtung anziehen, die den verschlungenen Pfaden des Aufstands folgt, und lassen sich von Heuchelei anstacheln”, heisst es in der Studie.
Doch auf die Frage von albinfo.ch, ob die religiöse Ideologie aus Kosova und Makedonien auch Angehörige der Diaspora so beeinflusse, dass einige von ihnen den Weg nach Syrien und Irak gegangen seien, sagt er, dass die Leute in der Diaspora weniger von den radikalen Klerikern und Strömungen auf dem Balkan beeinflusst seien.
“Die Muslime in Westeuropa radikalisieren sich viel mehr auch über “Youtube-Imame”, auf welche sie hören, ohne zu wissen, wen sie hören, und dies deshalb, weil sie nicht genügend Platz haben, wo sie beten und mit glaubwürdigen und legitimen Imamen zusammenarbeiten könnten”, sagt Kursani.
Er sagt, die vor wenigen Tagen publizierte Studie habe nur die Bürger Kosovas zum Objekt, “jedoch gibt es bestätigte Fälle und ich bin informiert, dass es auch Kosovaren aus der Diaspora gibt, die sich verschiedenen Rebellengruppen in Syrien anschlossen. Tatsächlich gibt es einen Fall eines Kosovaren, der schon seit den 90er-Jahren in Schweden lebte, der letztes Jahr in Syrien im Kampf getötet wurde.”
Laut Kursani war dessen Radikalisierung während des Aufenthaltes in Schweden erfolgt, nicht in Kosovo. “Das erstaunt nicht, denn auch der Bericht stellt fest, dass es die muslimischen Bevölkerungen der Länder mit nichtmuslimischer Mehrheit sind, die mehr von den dschihadistischen Rebellengruppen des Mittleren Ostens angezogen werden als die muslimischen Bevölkerungen der Länder mit muslimischer Mehrheit, wie es die Türkei oder auch Kosovo selbst sind. Beispielsweise sind es im Verhältnis zur muslimischen Bevölkerungszahl die Muslime der skandinavischen Länder und Nordeuropas, die von den Rebellengruppen mehr angezogen werden als die Muslime Kosovos”, erklärt er.

In den europäischen Ländern fühlen sich die Muslime laut Kursani Vorurteilen ausgesetzt und haben das Gefühl, dass ihre Identität und ihr Glauben von der europäischen, hauptsächlich christlichen Kultur herausgefordert wird, und in der Folge bestehen sie stärker auf ihrem muslimischen Glauben, um ihre Identität zu verteidigen.

“Doch das erklärt nicht alles. Das Problem mit den Ländern Westeuropas ist, dass sie die Muslime in Kellern und Privaträumen beten lassen; wo nicht genügend offizielle Moscheen existieren, um ihren Glauben ausüben zu können, fühlen sie sich unterdrückt,  und  in einer solchen Atmosphäre fehlender Würde radikalisieren sie zusätzlich”, erklärte Kursani unter anderem.

Im übrigen sind es laut der Studie des QKSS über 20’000 ausländische Kämpfer, die sich verschiedenen militanten Organisationen, die in Syrien und im Irak kämpfen, angeschlossen haben. Rund 4000 oder ein Fünftel davon kommen aus Westeuropa. Diese Angaben stammen aus der zweiten Hälfte des Jahres 2014 und die Zahlen steigen weiter.

Unter den 22 westlichen Staaten, zu welchen nebst Staaten aus ganz Europa die USA, Russland und die Türkei gehören und aus welchen vermutlich die meisten ausländischen Kämpfer stammen, die sich militanten Organisationen in Syrien und im Irak angeschlossen haben, ist Kosova an achter Stelle, mit 232 bestätigten Fällen.

Russland steht an erster Stelle mit 1500 bestätigten Fällen, gefolgt von Frankreich mit 1200 bestätigten Fällen und Deutschland, Grossbritannien und der Türkei mit je 600 bestätigten Fällen.

Wird jedoch die Zahl ausländischer Kämpfer im Verhältnis zur jeweiligen Bevölkerung des Landes betrachtet, so rückt Kosovo mit 125 ausländischen Kämpfern auf eine Million Einwohner an erste Stelle unter den 22 aufgelisteten Staaten, gefolgt von Bosnien mit 85, Belgien mit 42 und Albanien mit 30 Fällen von ausländischen Kämpfern auf eine Million Einwohner.