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Syrien: Indoktrination von Albanern

Innert einer Woche kamen drei kosovarische Freiwillige im Bürgerkrieg in Syrien ums Leben. Die Teilnahme von Freiwilligen bereitet den Behörden in Prishtina Sorgen; sie fordern ein Verbot solcher Teilnahme

Eine in albanischer Sprache verfasste Botschaft über einen Videolink, in welcher er zum Kampf gegen das Regime von Bashar al Asad aufruft, machte Lavdim S. aus Kaçanik berühmt. Er ist einer von Dutzenden oder Hunderten Albanern, die auf der Seite der Aufständischen im syrischen Bürgerkrieg kämpfen.

Er ruft in Allahs Namen dazu auf, auf Damaskus’ Boden für “die Verteidigung der muslimischen Brüder und Schwestern zu kämpfen”. Nebst Lavdim gibt es noch ein paar andere Albaner, die ebenso Videobotschaften lancierten, in welchen sie zum ideologischen Glaubenskampf (Djihad)in Syrien aufrufen.

Die jüngste Nachricht kam vor drei Tagen aus der Gegend um Aleppo, wo ein Albaner aus Albanien erzählt, dass er und die muslimischen Freunde “gesund und wohlauf” seien.
Eine weitere Nachricht jedoch kam aus dem Quartier Taslixhe in Prishtina, wo F.S. (42-jährig) seiner Frau schreibt, dass er die letzten Minuten seines Lebens durchlebe.
Schau den Kindern gut!

“Schau den Kindern gut, so lange war es mir beschieden zu leben, jetzt trete ich vor Gott”, schreibt der Zweiundvierzigjährige seiner Frau, die nun Witwe geworden ist, mit einer 9-jährigen Tochter und einem 7-jährigen Sohn, die in der kosovarischen Hauptstadt zur Schule gehen.

In sein Haus kommen nun die Trauernden, ihr Beileid auszudrücken, nachder express gekommenen Trauernachricht, dass der Sohn als Shehid – als Märtyrer – auf Damaskus Erde gefallen sei.
Der Jahresanfang von 2014 ist für die albanischen Freiwilligen, die in Syrien kämpfen, schlimm. Innerhalb einer Woche wurde der Tod von drei Albanern bestätigt, Hetem Dema und Kijani Mujaku von Kaçanik und F.S. aus Prishtina. Möglicherweise wurden noch einige weitere albanische Freiwillige in der Gegend von Idlib und Aleppo getötet.
Die albanischen Freiwilligen verloren ihr Leben bei Zusammenstössen mit einheimischen Rebellen und nicht mit Truppen des Präsidenten Bashar Al-Assad.
Laut Medien in Kosova sind jedoch möglicherweise noch einige weitere Albaner umgebracht worden, im Nordwesten Syriens, da der Konflikt sich in der Gegend ereignete, wo die Albaner konzentriert waren.
 
Wie viele albanische Freiwillige kämpfen in Syrien?

Die kosovarischen Behörden haben keine Statistik, wie viele Kosovaren sich am Bürgerkrieg in Syrien beteiligen. Die Angaben variieren von 20 bis zu 800 Albanern. Die Angehörigen des Prishtinasers, der gestern getötet wurde, sagen, dass ihr Sohn gesagt habe, es befänden sich ungefähr 150 Albaner in Aleppo, wo auch die letzte Offensive stattgefunden hatte. Aussenminister Enver Hoxhaj dementiert jedoch diese Zahl und sagt, dass sich in Syrien nicht mehr als 30 kosovarische Freiwillige aufhielten.

“Das Phänomen der Teilnahme von Bürgern Kosovas ist isoliert, klein, und so wie in allen anderen Staaten der EU, so besteht es auch in einigen Staaten des Balkans, leider auch in Kosovo. Die in diesen Tagen in den Medien zirkulierende Zahl von angeblich 150 Personen ist nicht korrekt. Es mögen 20 bis 30 Personen sein”, sagte Hoxhaj.

Vor einigen Monaten meldete die Agentur FarsNews, dass sich 800 albanische Freiwillige (aus Albanien, Makedonien und Kosova)der Freien Syrischen Armee angeschlossen hätten. Im direkten Kampfgeschehen wurden mehr als 10 Albaner getötet. An die Orte des Kampfeinsatzes geschickt werden die Freiwilligen internationalen Medien zufolge nach militärische Training in der Türkei.

Die Behörden in Kosovo sind besorgt darüber, dass Männer aus Kosovo nach Syrien gehen und dort im Namen des Djihad kämpfen. Prishtina muss sich überlegen, wie es gegen diese Leute vorgehen soll, vor allem nach deren Rückkehr in die Heimat, da sie eine dauernde Bedrohung für die Bürger Kosovos sein können.

Der stellvertretende Regierungschef und Justizminister Hajredin Kuçi erklärte, dass die Angelegenheit nun in der Regierung behandelt werde, auch wenn es keinen konkreten Beschluss gebe, zitiert Zëri.

Die Freiwilligen sollen strafrechtlich verfolgt werden!

Der kosovarische Aussenminister Enver Hoxhaj sagte, es müssten Gesetzesänderungen erfolgen, um eine solche Teilnahme zu verhindern. Er sagte, in einigen Ländern würden solchen Personen die Staatsbürgerschaft genommen oder sie würden strafrechtlich verfolgt.

Auch die kosovarische Polizei verfügt über keine Informationen darüber, wie viele Kosovaren an den Kämpfen in Syrien teilnehmen.

Der offizielle Polizeisprecher, Brahim Sadriu, sagte jedoch, dass die Polizei gestützt auf ihren gesetzlichen Auftrag Informationen über Entwicklungen, die eine Bedrohung der Sicherheit in der Republik Kosovo sein könnten, sammelt und analysiert.

“Aufgrund verschiedener Informationen rechnen wir nicht mit einer grossen Zahl kosovarischer Bürger im Krieg in Syrien. Wir haben auch Informationen über einige Zurückgekehrte”, sagte Sadriu.

Albinfo.ch fragte Politologen, aber auch Gottesmänner nach ihrer Meinung zu den Syriengängern. Sie betrachten die Teilnahme von Freiwilligen im syrischen Bürgerkrieg als Fehler. Gemäss den Glaubensvertretern hat dieser Krieg nichts mit dem heiligen Glaubenskrieg zu tun.
 
Der Krieg in Syrien hat nichts mit dem Djihad zu tun                    
 
Xhabir Hamiti war Präsident des Rats der Islamischen Gemeinschaft Kosovas, und ist bekannt als Theologe, der den traditionellen liberalen Islam unterstützt. Er sagt, die gesamte kosovarische politische Führungsklasse, aber auch die Glaubensführer, müssten einstimmig dagegen eintreten, dass Leute aus Kosova in den, wie er ihn nennt, monströsen Konflikt in Syrien gehen.

“Es gibt keinerlei islamische Grundlage, dorthin zu gehen, denn es ist ein Konflikt zwischen vielen Fraktionen und Fronten des gleichen Volkes … Diejenigen, die diesen Krieg einen heiligen Krieg nennen, wissen es entweder aufgrund ihrer Ignoranz und blinden Indoktrinierung nicht besser, oder sie wissen es, aber verwenden absichtlich diesen Ausdruck”, erklärte Hamiti.

Der heilige Krieg hat, wie er sagte, Regeln und Prinzipien, die in diesem Krieg, wie er sagte, völlig fehlen. Er fordert die Imame in Kosovo auf, während der Predigten in den Moscheen die Leute dazu aufzurufen, nicht Teil eines Konflikts von Fraktionen und Fronten zu werden.
 
Auch die Islamische Gemeinschaft von Kosova reagierte erneut im Zusammenhang mit den Kosovaren in Syrien, vor allem nach dem Tod von einigen der Ihren.
 
Oberimam Sabri Bajgora rief alle kosovarischen Kämpfer dazu auf, die Front zu verlassen und nach Kosova zurückzukehren. “Dieser Krieg hat seinen Kompass verloren. Anfänglich war er ein reiner Befreiungskrieg und freiheitsliebend. Aber das gilt nicht mehr. Ich rufe alle unsere Söhne dort auf, nach Kosova zurückzukehren”, appellierte Bajgora.

Fadil Lepaja, Direktor des Zentrums für balkanische Studien in Prishtina, sagt, dass der Gang von Freiwilligen nach Syrien  nach deren Rückkehr in die Heimat nachträgliche Folgen haben werde. Laut ihm schaffen diese Freiwilligen internationale Verbindungen mit muslimischen Brüdern, die später ihre Verbindungen auch in den Balkan und anderswo ausbreiten werden.

Kosova an der Kreuzung der Zivilisationen
 
Der Kampf gegen solche internationalen Engagements  wird in den Köpfen der Menschen geführt und gewonnen, und diesbezüglich befinden wir uns als Gesellschaft an der Kreuzung der Zivilisationen”, sagt Lepaja zu albinfo.ch unter anderem.
Es sei Zeit, dass  die kosovarischen Intellektuellen ein albanisches Modell des modernen Islam schaffen sollten, welches mit Demokratie und bürgerlichen Freiheiten vereinbar sei, und nicht ineffiziente Modelle begünstigen, die auch unter uns immer mehr den religiösen Extremismus stärken.”

“Hier spielt auch der Staat eine Rolle, sei es mit moralischer und materieller Unterstützung, und nur in letzter Konsequenz mit notwendiger gesellschaftlicher Repression, um das demokratische System zu verteidigen”, meint Lepaja.

Im Übrigen berichten die Medien, dass in Syrien einige Gruppen von Aufständischen wirkten, die auf den Sturz von Bashar Al Asad hinarbeiteten. Nebst der Freien Syrischen Armee gibt es drei weitere Kampfgruppen: die revolutionäre Opposition, die von Anfang an den Sturz von Asad wollte; Al Nusra, eine der terroristischen Al Kaida nahestehende Organisation; und “Der Islamische Staat des Irak und der Levante”, eine von Al Nusra abgespaltete Gruppe. Die jüngsten Fälle von mehreren getöteten Albanern sollen sich mutmasslich bei Zusammenstössen von Gruppen untereinander ereignet haben. Die albanischen Freiwilligen sollen, gemäss Berichten, in zwei Gruppen geteilt sein, in Aleppo und Idliba.