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50 Jahre Diskurse über das Fremde

Die Studie von Angelo Maiolino im Auftrag der EKM zeichnet nach, wie sich die Politik seit 50 Jahren von der Rhetorik über das Fremde treiben lässt

Mit der Schwarzenbach-Initiative konnte sich die Stimmbevölkerung 1970 zum ersten Mal zu einer Vorlage äussern, welche die ausländische Bevölkerung im Land zu begrenzen suchte. Seither ist die Zuwanderung in regelmässigen Abständen Gegenstand hochemotionaler Debatten und politischer Vorstösse. Die Studie der Eidgenössischen Migrationskommission EKM zeichnet die Geschichte von Abwehr, Fremdenfeindlichkeit und vom Mythos des autonomen, von niemandem abhängigen Nationalstaats nach – und zeigt, dass es immer auch Gegenentwürfe gab, zugunsten einer offenen und fortschrittlichen Schweiz.

Am 7. Juni 1970 gelangte die Schwarzenbach-Initiative zur Abstimmung. Die Befürworter der Initiative führten einen intensiven und emotionsgeladenen Abstimmungskampf. Ihre zentrale Argumentation, wonach der Bundesrat und die schweizerische Elite in der Ausländerpolitik versagt hätten und der hohe Anteil an Ausländern die schweizerische Eigenart bedrohe, traf bei weiten Teilen der Schweizer Bevölkerung auf offene Ohren. Bei einer Rekordstimmbeteiligung von 74 Prozent erhielt die Initiative die Zustimmung von 46 Prozent der Stimmbevölkerung. Kurz nach der Ablehnung der Schwarzenbach-Initiative wurde die EKM als «Eidgenössische Konsultativkommission für das Ausländerproblem» gegründet.

Seit der Schwarzenbach-Initiative wird in der Schweiz in regelmässigen Abständen über Initiativen gestritten, welche die Zuwanderung zu einem zentralen politischen Problem erklären und dabei zugleich das Verhältnis der Schweiz zur EU in Frage stellen. Die Studie von Angelo Maiolino im Auftrag der EKM zeichnet nach, wie sich die Politik seit 50 Jahren von der Rhetorik über das Fremde treiben lässt. Sie zeigt jedoch auch auf, dass die Gesellschaft immer wieder Wege gefunden hat, den Drohkulissen und Angstszenarien konstruktive Gegenentwürfe des Miteinanders entgegenzustellen.

Im September wird die Stimmbevölkerung einmal mehr über eine Initiative befinden, welche darauf abzielt, die Zuwanderung zu begrenzen: die Initiative «Für eine massvolle Zuwanderung» (Kündigungsinitiative). Auch diesmal steht der Schweiz ein heftiger Abstimmungskampf bevor. Erneut wird laut und heftig über das «Wir» und die «Anderen» debattiert werden. Fremdenfeindliche Diskurse lenken jedoch von den zentralen Herausforderungen ab, die sich der Schweiz in Zukunft stellen: beispielsweise die Herausforderungen der Digitalisierung, der demografischen Entwicklungen oder des Klimawandels. Diese Herausforderungen können wir nur gemeinsam lösen.