Frauen
Willkommen in «Linda`s universe»
Mirlinda Dinaj, 24 Jahre alt, hat auf Instagram mit ihrem Profil Linda’s universe ein beachtliches Publikum für ihre Illustrationen gewonnen und ist Mitgestalterin des Online-Magazins OG - «o gocë»
Mit dem Lift fahre ich in den fünften Stock und laufe den Gang runter, eine Tür öffnet sich. Mit locker hochgestecktem Haar und ungezwungener Kleidung steht sie mir gegenüber und grüsst mich herzlich. Mirlinda Dinaj, 24 Jahre alt, hat auf Instagram mit ihrem Profil Linda’s universe ein beachtliches Publikum für ihre Illustrationen gewonnen und ist Mitgestalterin des Online-Magazins OG – «o gocë». Sich deshalb eine Künstlerin zu nennen, fällt ihr schwer – aber sie weiss, was sie will: Mit ihrer farbenfrohen Kunst Menschen anziehen und sie merken lassen: Hey, da läuft etwas falsch!
Es ist das zweite Mal, dass ich Linda treffe. Während Sie beim ersten Treffen zurückhaltend war, strahlt sie heute trotz leichter Grippe und teilt aufgeregt ihre Gedanken mit mir. Wir unterhalten uns in einem Sprachdurcheinander von Englisch, Albanisch und einzelnen Französisch- und Deutschschnipseln. In der Nähe von Lausanne aufgewachsen, macht Linda nun ein Praktikum in Zürich. Das Leben in dieser neuen Stadt stellt eine Herausforderung für sie da: Als Frau, Albanerin und frankophone Schweizerin gäbe es nämlich kein Entkommen vor steter Rechtfertigung: Zuerst müsse mensch erklären, warum mensch Französisch spricht, dann, woher der Vorname kommt und sich schliesslich Fragen anhören wie: Ob die albanischen Eltern es denn okay finden, dass sie als Frau so spät noch ausgeht? Ob sie nach Kosovo in die Ferien gehe, um zu heiraten? Unter all diesen Fragen lauert der Gedanke: Du bist ja nicht Schweizerin.
Obwohl Linda in diesem Land aufgewachsen ist und sich als 100% Schweizerin und 100% Albanerin beschreiben würde. Warum da aufteilen oder eines ausschliessen, fragt sie. Sie nähme das Gute von beiden Kulturen und kritisiere das, was sie stört. Wie sie es auch in ihren Illustrationen tut: Da sieht mensch Catcalling, genervte Frauen und lechzende Männer. Ihre Bilder sind Antworten auf was Linda zufolge falsch läuft: Zwangsehe, die Position der Frau in der Gesellschaft, der Druck auf die Kinder albanischer Migrationsfamilien in der Schweiz, der Umgang mit psychischen Krankheiten und die albanische traditionell unmögliche Erbschaftsannahme für Frauen.
Dabei ist es ihr wichtig zu betonen, dass sie damit nicht alle anklagen möchte. Es sei aber Realität, dass immer noch viele Menschen und vor allem Frauen unter unterdrückenden, patriarchalen Strukturen leiden und keine Wahlmöglichkeiten haben. Dies diene ihr als felsenfestes Argument gegen sie treffende Kritik.
Aussagen wie «Ja, wenn du nicht heiraten möchtest, mach es einfach nicht – Wozu der Krawall?» fänden keinen Halt in einer Welt, in der es nicht allen gewährleistet ist, einfach mal «nein» zu sagen. Ansonsten seien die Reaktionen sehr positiv, wobei Personen jeglichen Geschlechts Unterstützung ausdrücken. So ist Linda nämlich ganz unerwartet zu ihrem Publikum gekommen – durch Reposting ihrer Beiträge auf den sozialen Medien und auffordernde Nachrichten und Kommentare: «Mach weiter, es hilft!» Auch ihre Eltern unterstützen sie in ihrem Vorhaben, wobei sie lange keinen Einblick in ihr Kunstschaffen bekommen haben. Linda zeichnete nämlich schon als Kind, aber eben nur für sich. Was sie erlebt und beschäftigt hat, wurde farbenfroh auf Papier gebracht. Was sie als Kind verstörte, klingt heute nach. Fragen wie «a po të lypin?» übersetzte sie ins Französische und fand es falsch – es könnte doch nicht sein, dass solche Ausdrucksweisen in Bezug auf Menschen verwendet wurden. Sie suchte das Gespräch mit ihren Eltern, welche zustimmten und mit ihr darüber sprachen.
Dieses sensible Bewusstsein der albanischen Sprache gegenüber bringt sie heute in ihren Illustrationen zum Ausdruck, wobei es nicht immer kritisch gemeint ist. Ausdrücke wie «ta hongsha zemrën», welche sie wörtlich verstanden zeichnet – ein Mann, der ein Herz isst-, fände sie einfach witzig und etwas makaber. Lindas Kunst beginnt nämlich immer bei ihr – was ihr auffällt, was sie belustig oder stört. Dabei sind es oft gesellschaftliche Probleme, die sie am meisten bewegen. Genau diese Verzahnung von Politischem und Persönlichem zeichnet ihre Illustrationen aus – Es ist wahrlich Linda’s universe, welches wir bei Betrachtung ihrer Kunst betreten.
Xhemile Asani
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